Herr Dr. Ensser, das Geschäftsjahr von Egon Zehnder Deutschland endet jeweils am 31. Oktober. Welches Ergebnis haben Sie diesmal erzielt?
Wir geben die Umsatzzahlen unserer einzelnen Landesgesellschaften seit vielen Jahren nicht mehr bekannt, nur noch global. Wir verstehen uns als „One Firm“ mit einem weltweiten Profitcenter. Das ist nicht nur Firmenphilosophie, sondern tatsächliche Arbeitsweise und Haltung.
Letztes Jahr musste Egon Zehnder in Deutschland ein Minus hinnehmen – im Gegensatz zu den meisten Ihrer Konkurrenten. Hat sich der Negativtrend fortgesetzt?
Einen Negativtrend konnte ich nicht sehen, wir hatten eines unserer besten Ergebnisse.
Das heißt dann wohl, dass Sie Ihren Umsatz kräftig steigern konnten.
Wir gehen mit unseren Zahlen nur ungern an die Öffentlichkeit. Natürlich veröffentlichen wir sie, wie jede GmbH, im Bundesanzeiger.
Die Leser von ConsultingStar sollen nicht warten müssen, bis Zehnders Zahlen im Bundesanzeiger stehen. Lassen Sie mich schätzen: Mit Blick auf die Branchenentwicklung und Erfahrungswerte aus früheren Jahren komme ich auf 87 bis 88 Millionen Euro Umsatz.
Sie unterschätzen uns.
Haben Sie die Marke von 90 Millionen Euro geknackt?
Wir liegen nur ein paar Euro darunter.
Respekt. Was steckt hinter Ihrem Erfolg?
Viele Unternehmen bauen derzeit ihre Führungsorganisationen um. Hier spielt insbesondere die digitale Transformation ihrer Geschäfte eine maßgebliche Rolle. Der Wandel in der Wirtschaft beschleunigt sich. Und der Bedarf an externen Ratgebern, sowohl im Executive Search als auch darüber hinaus, ist sehr groß …
… vor allem bei der Suche nach Spitzenpersonal im Wege der Direktansprache, womit Egon Zehnder den Löwenanteil seines Umsatzes erwirtschaftet.
Wir machen immerhin 20 Prozent unseres Umsatzes mit Dienstleistungen, die nicht unter den Begriff Executive Search fallen…
… mit Management Audits, die bei Zehnder Appraisals heißen.
Appraisals gehen eher zurück, aber die Nachfrage nach unseren Leadership Services steigt. Wir haben seit Jahren Digitalexperten in unserer Beraterschaft, wir pflegen eine Reihe von netzwerkartigen Kooperationen und organisieren für unsere Klienten immer häufiger Workshops, in denen sie mit uns über den Grad ihres Veränderungsbedarfs nachdenken. Die richtigen Ziele in den Blick zu nehmen und nicht mit Schlagworten um sich zu werfen, ist für Unternehmenslenker das A und O.
Letztes Jahr sagten Sie, dass Egon Zehnder auch Managementberatung anbieten werde. Was ist daraus geworden?
Wir setzen mit unseren Dienstleistungen im Prinzip noch vor den klassischen Strategieberatungen an. Wir helfen den Unternehmen zum Beispiel, Antworten auf die Frage nach dem Warum zu finden – nach dem Sinn und Zweck eines Unternehmens. Erst danach stellt sich die Frage nach dem Wie, bei der zum Beispiel Strategieberater zum Einsatz kommen.
Zahlen Ihre Klienten für eine Antwort auf die Frage nach dem Warum ebenso gut wie für die Suche nach einem Topmanager?
Ja, denn sie erkennen, dass diese Frage fundamental ist, wenn es darum geht, ein Unternehmen zu verbessern oder neu zu erfinden. Und auch, um die besten Führungspersönlichkeiten zu halten und Talente aus der Generation Y zu gewinnen und zu binden.
Können Sie ein Beispiel dafür nennen?
Einer unserer Klienten ist eine bekannte, börsennotierte Aktiengesellschaft. Deren Vorstandsmitglieder wollten wissen, was „digital“ für das Unternehmen bedeutet. Den Prozess der Entscheidungsfindung haben wir intensiv begleitet.
Welchen Umsatz wird Egon Zehnder in Deutschland im Geschäftsjahr 2016/2017 erzielen?
Ich will keine bezifferte Prognose abgeben. Ich weiß nur, dass viele deutsche Unternehmen noch ganz am Anfang einer digitalen Transformation stehen. Und die Manager in diesen Unternehmen wissen genau, dass der Erfolg bei einer solchen Transformation eng mit den Themen Personal und Leadership verknüpft ist.
Die besten Kunden der Consultants waren bislang Banken, Versicherungen und andere Finanzdienstleister. Ist das heute noch so?
Die stärkste Nachfrage kommt zurzeit von klassischen Industrieunternehmen, und zwar nicht nur in Deutschland. Hier haben wir ein Auftragsplus von weit über 30 Prozent erzielt. Fast auf demselben Niveau liegt die Nachfrage aus dem Sektor Financial Services, danach kommt der Sektor Technologie, zu dem bei Egon Zehnder auch Telekommunikationskonzerne und Medienunternehmen zählen. Ebenfalls stark ist die Nachfrage aus dem Sektor Dienstleistungen und Life Sciences.
Welche Unternehmen vergeben weniger Aufträge als früher?
Die Unternehmen des Energiesektors.
Die börsennotierte US-Firma Korn Ferry gilt als die Nummer 1 im weltweiten Search Business. Firmenchef Gary Burnison hat in den vergangenen Jahren zahlreiche Unternehmen gekauft und Korn Ferrys Dienstleistungsspektrum stark verbreitert. Wird Egon Zehnder nicht in ein paar Jahren nur noch als unbedeutender Nischenplayer dastehen?
Ich habe viel Respekt vor Burnisons Leistung. Sicher wartet noch viel Arbeit auf ihn. Es dürfte nicht gerade einfach sein, so viele Unternehmen zu integrieren. Für uns machen organisches Wachstum und intelligente Kooperationen mehr Sinn.
Welche Auswirkungen wird die Digitalisierung auf das Geschäft von Egon Zehnder haben?
Wir verfolgen die technische Entwicklung sehr aufmerksam. Digitalisierung ist in unserer Profession nicht auf die Identifikation von Kandidaten beschränkt.
Was heißt das?
Eines der Stichworte lautet „Big Data“. Wir versuchen dabei, vorhandene Erkenntnisse zielgerichtet nutzbar machen. Da gibt es ganz erstaunliche Möglichkeiten. Es geht im Kern dabei um modernste Software-Werkzeuge und Algorithmen, die eine eher intuitive Suche unterstützen, statt wie bislang nur eine Suche nach festen Parametern.
Werden Robo-Recruiter demnächst die Headhunter ersetzen?
Was auch immer Sie mit Robo-Recruiter meinen – etwas in der Art wird kommen. Schon heute setzen wir intelligente Online-Verfahren ein, die unsere Arbeit bereichern und besser machen. Wir wissen, dass wir von der Digitalisierung nicht ausgenommen sind. Was man aber nicht digitalisieren kann, ist die persönliche Beziehung, die unsere Marke auszeichnet und das Vertrauen, das Führungskräfte uns weltweit entgegenbringen, wenn es um höchst sensible Besetzungen oder Veränderungen geht. Und das ist auch bei der Ansprache von Spitzenpersonal ein unschlagbarer Wettbewerbsvorteil.