Infosys, TCS, Wipro: Die drei indischen IT-Giganten befinden sich mitten im Umbruch, und zwar noch weitaus stärker als ihre Konkurrenten in den USA und Europa. Wipro hatte in den vergangenen Jahren merklich an Dynamik verloren. Jetzt berappelt sich der Riese. Cellent ist für ihn zwar nur ein kleiner Happen, aber in seiner strategischen Bedeutung nicht zu unterschätzen.
In den Medienmitteilungen der an dem Deal beteiligten Rechtsanwälte heißt es, man habe „Stillschweigen über den Kaufpreis“ vereinbart. Doch wenn ein börsennotiertes Unternehmen wie Wipro einkauft, ist es verpflichtet, mit offenen Karten zu spielen. Laut Mitteilung von Wipro beträgt der Kaufpreis 73,5 Millionen Euro.
Verkäufer ist die Landesbank Baden-Württemberg, die bislang sämtliche Anteile an Cellent gehalten hatte. Der Deal wird aus Steuergründen über eine Wipro-Gesellschaft auf Zypern abgewickelt und steht noch unter dem Vorbehalt der Zustimmung durch die zuständigen Behörden.
Umsatz 7,6 Milliarden US-Dollar
Wipro Limited mit Sitz in der indischen Millionenmetropole Bangalore ist ein weltweit tätiger Anbieter von IT-Diensten, Beratung und Business Process Services. Mit mehr als 160.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von zuletzt 7,6 Milliarden US-Dollar ist der Konzern eines der größten Unternehmen Indiens.
Die Cellent AG zählt mit über 800 Consultants zu den führenden IT-Consulting- und Software-Dienstleistungsunternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Mit Sitz in Stuttgart und weiteren zehn Standorten bietet Cellent seit 14 Jahren großen und mittelständischen Unternehmen sowie Kommunen und anderen Organisationen vor allem Business Consulting, Software-Entwicklung, Infrastructure Solutions und Managed Services. Umsatz 2014: Rund 87 Millionen Euro.
Wipro zeigt schon seit längerer Zeit Präsenz in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Und das aus gutem Grund, denn der deutschsprachige Markt stellt eine strategische Wachstums- und Investitionsregion dar. Die Übernahme von Cellent bedeutet für Wipro neue, wichtige und erstklassige Kundenbeziehungen, vor allem in der Produktions- und Automobilbranche.
Rote Zahlen und Wechsel in der Geschäftsführung
Wer dies weiß, wundert sich, dass sich Wipro bislang mit seinen Geschäften in Deutschland nicht gerade leicht tat. Genauer: Die deutsche Tochtergesellschaft Wipro Technologies GmbH, Köln, schloss das Geschäftsjahr 2013/14 mit einem Jahresfehlbetrag in Höhe von fast sieben Millionen Euro ab. Dies führte unter Berücksichtigung eines Verlustvortrages von annähernd zehn Millionen Euro zu einem Bilanzverlust in Höhe von knapp 17 Millionen Euro.
Kurz nach Bekanntwerden der ernüchternden Ergebnisse kam es zu einem Wechsel an der Spitze des deutschen Wipro-Managements. Seit März 2014 führt der Bad Sodener Kaufmann Ulrich Meister die Geschäfte der Wipro Technologies GmbH.
Die Wipro Technologies GmbH ist ein Tochterunternehmen der Wipro Portugal S.A. mit Sitz in Porto. Weitere Gesellschafterin ist die Wipro Information Technology Netherlands B.V. mit Sitz in Amsterdam/Niederlande. Alle Unternehmen sind Tochterunternehmen der Wipro Limited.
Rechenzentrum in Meerbusch bei Düsseldorf
Die Wipro Technologies GmbH unterstützt Kunden in deutschsprachigen Ländern mit Beratungs- und Implementierungsleistungen in den Bereichen Warenwirtschaftssysteme, Betrieb von Rechenzentren und IT-Outsourcing.
Neben der Implementierung von Standard-Softwarelösungen bietet Wipro auch maßgeschneiderte Softwareentwicklungs- und Wartungsdienstleistungen an. Mit dem Kauf eines Rechenzentrums in Meerbusch bei Düsseldorf im Juli 2010 hat das Unternehmen sein Portfolio erweitert, um alle Dienstleistungen rund um den Betrieb eines solchen Rechenzentrums anbieten zu können.
Die Wipro Technologies GmbH erbringt ferner Dienstleistungen im Bereich Marketing und Geschäftsentwicklung für Kunden innerhalb der Wipro-Gruppe. Hierfür erhält die Wipro Technologies GmbH eine Provision auf alle neuen Aufträge, die für die Wipro-Gruppe gewonnen wurden.
Vom Sonnenblumenöl zur Informationstechnik
Weiterhin hat Wipro Büroräume in Frankfurt am Main angemietet, die als Hauptgeschäftsstelle des Unternehmens für den Bereich „Continental Europe“ dienen. Hauptsitz der Wipro Technologies GmbH ist jedoch Köln.
Übrigens: Das Wipro-Logo soll nicht etwa die Nähe zu einer bekannten deutschen Öko-Partei signalisieren. Das Unternehmen wurde 1945 in Mumbai gegründet und betätigte sich damals vor allem als Produzent von Pflanzenölen. Eine der damaligen Marken war Sunflower. Die Sonnenblume im Logo verweist auf diesen Ursprung.
3.12.2015 pan / Logo oben: Cellent AG / Logo unten: Wipro Limited