Frierende Flüchtlinge, frustrierte Beamte – und ein überforderter Behördenchef. Im Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso), zuständig für die Betreuung von über 40.000 Hilfe suchenden Menschen, herrschte Chaos. Der Senat – die Regierung des Stadtstaats Berlin – rief die Berater von McKinsey zu Hilfe. Jetzt rückt einer dieser Consultants an die Lageso-Spitze.
Der frühere Behördenchef Franz Allert musste im Dezember auf Druck des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller (SPD) seinen Hut nehmen. Allerts Nachfolger wird laut einer heute veröffentlichten Meldung des Berliner Senats der Unternehmensberater Sebastian Muschter.
Muschter (Firmenfoto: McKinsey & Company) hat an der Universität Siegen studiert und 1999 an der Schweizer Universität St. Gallen den Doktortitel im Fach Informations-Management erworben. Nach sechs Jahren beruflicher Tätigkeit in den USA startete er seine Beraterkarriere im Jahr 2004 bei McKinsey. Dort ist er derzeit als Principal für die Beratung von Klienten im öffentlichen Sektor zuständig.
Rundum zufrieden
Der Berliner Sozialsenator Mario Czaja zeigt sich rundum zufrieden: „Mit dieser Wahl hat sich der Senat für einen Mann entschieden, der durch seine Beratungstätigkeit im Lageso und bei der Fachaufsicht meiner Verwaltung in den vergangenen Monaten bereits umfassende Kenntnisse im Flüchtlingsmanagement erworben hat“, sagt Czaja. Muschter sei mit den Strukturen und Tätigkeitsfeldern des LAGeSo vertraut und werde keine Einarbeitungszeit brauchen, so der Senator.
In der Meldung des Berliner Senats heißt es zusätzlich, dass Muschter von einem Kompetenzteam unterstützt werde. Ziel sei es, schnellstmöglich Verbesserungen der Strukturen und Arbeitsabläufe im Lageso durchzusetzen. Dieses „Kriseninterventionsteam“ bestehe aber nicht aus Unternehmensberatern, sondern aus vier zusätzlichen Führungskräften im Leitungsbereich des Lageso.
Eine Sprecherin des Senats betont auf Anfrage von ConsultingStar.com, dass Muschter lediglich kommissarischer Leiter des Amtes werde. Die Stelle werde in jedem Fall noch ausgeschrieben. Details zur Besoldung könne sie nicht nennen.
Es ist nicht das erste Mal, dass McKinsey in der Flüchtlingskrise zu Hilfe gerufen wird. Im vergangenen September durften die Consultants das Chaos im Nürnberger Bundesamt für Migration beseitigen (siehe ConsultingStar, Bericht vom 21. September 2015).
Kritische Öffentlichkeit
Während Wechsel von Consultants an die Spitze von Unternehmen der Privatwirtschaft kaum Aufsehen erregen, reagiert die Öffentlichkeit immer noch kritisch, wenn ein Berater einen Job an exponierter Stelle des öffentlichen Dienstes ergattert.
Das war auch bei Katrin Suder nicht anders, die im August 2014 von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) als Staatssekretärin ins das von Skandalen geplagte Ministerium geholt wurde. So wie Muschter arbeitete Suder zuvor ebenfalls für McKinsey.
„Wann immer es im Rüstungssektor der Bundeswehr knirscht, soll es ein Seiteneinsteiger aus Wirtschaft oder Wissenschaft richten“, kritisierte damals Hans Rühle, ehemaliger Leiter des Planungsstabes im Verteidigungsministerium, in einem Artikel für die Tageszeitung Die Welt – und verwies auf ein weitgehend erfolgloses Konzept zur Teilprivatisierung, das von Roland Bergers Beratern Ende der 1990er Jahre für das Ministerium erstellt worden war.
Eigentlich wollte von der Leyen auch einen Auftrag im Volumen von 286 Millionen Euro an Unternehmensberater vergeben. Das Ministerium zog die Ausschreibung jedoch sofort zurück, als die Öffentlichkeit davon erfuhr und das Hamburger Nachrichtenmagazin Der Spiegel darüber berichtete.
pan