Starke Worte: Vor drei Jahren formulierte Johan Aurik, Chef der traditionsreichen US-Beratungsfirma, seine Vision für die Zukunft von A.T. Kearney. Auf jedem Gebiet, das man als Geschäftsfeld definiert habe, werde man zu den Top 3 gehören, tönte der Belgier. Und: Bis 2020 werde A.T. Kearney doppelt so groß sein wie 2013. Aktuelle Vorgänge und die Geschäftszahlen zeigen jedoch, dass sich die Consultants schwer tun, Auriks hoch gesteckte Ziele zu erreichen.
Vor wenigen Tagen meldete die Online-Ausgabe des Hamburger Manager Magazins, dass A.T. Kearney sein Frankfurter Büro aus Kostengründen schließen müsse. Die Journalisten beriefen sich dabei auf eine Videobotschaft von Martin Sonnenschein, der noch bis zum Ende des Jahres das Geschäft des Unternehmens in Zentraleuropa leitet. Dem Bericht zufolge müssen die Consultants nach Düsseldorf umziehen – in das größte deutsche Büro von A.T. Kearney.
Auf Anfrage von ConsultingStar bestätigt ein Firmensprecher, dass die Berater ihre Büros in der Frankfurter Taunusanlage räumen werden. Der Grund dafür sei das Auslaufen des Mietvertrags. A.T. Kearney werde aber in der Mainmetropole präsent bleiben. Die Berater zögen nur um. Die neue Adresse werde „Im Opernturm 1“ lauten, so der Sprecher gegenüber ConsultingStar.
Nur noch ein „Repräsentationsoffice“
Beim Opernturm handelt es sich um ein imposantes Hochhaus, das sich mit seinen über 40 Stockwerken direkt neben Frankfurts Alter Oper 170 Meter hoch in den Himmel reckt (Foto: Opernplatz Property Holdings). Die Mietpreise in dem erst kürzlich fertig gestellten Wolkenkratzer gehören nicht gerade zu den niedrigsten. Anders gesagt: Aus dem anstehenden Umzug allein kann man nicht darauf schließen, dass A.T. Kearney auf die Kostenbremse drücken muss.
Dennoch muss man ins Grübeln geraten, wenn der Firmensprecher die Frage nach der Quadratmeterzahl der neuen Räume unbeantwortet lässt, das Wort „Repräsentationsoffice“ verwendet und überdies betont, dass die Mitarbeiter weiter in der Frankfurter Region wohnen bleiben könnten – wenn sie das wollten.
Nun sind aber Büros für Consultants weitaus weniger wichtig als etwa Kanzleien für Rechtsanwälte oder Praxen für niedergelassene Ärzte. Im Unterschied zu Juristen oder Medizinern arbeiten Unternehmensberater normalerweise von Montag bis Donnerstag vor Ort bei ihren Klienten. Freitag ist der traditionelle Bürotag der Consultants. Und diesen Tag können sie ebenso gut mit ihrem Laptop zuhause verbringen oder aber einen Raum im „Repräsentationsoffice“ nutzen, etwa wenn Bewerbungsgespräche anstehen.
Dennoch stimmt der Eindruck, dass bei A.T. Kearney das Geld keineswegs mehr so locker sitzt wie zu den Zeiten, als man noch die verwöhnte Beratungstochter des texanischen Outsourcing-Riesen EDS war und rauschende Firmenparties feiern durfte – samt üppigem Büffet und sündhaft teuren Weinen.
EDS hatte A.T. Kearney 1995 für 600 Millionen US-Dollar von den Partnern der Firma gekauft. Gestützt auf die einst prallen Kassen des IT-Dienstleisters, eröffneten die Consultants ein Büro nach dem anderen und feierten zunächst große Erfolge. Seit dem Management Buyout von 2006 (siehe entsprechenden Bericht bei ConsultingStar) müssen sich die Berater jedoch selbst finanzieren. Und das gelingt ihnen nur mit Mühe.
In die roten Zahlen gerutscht
Der in Großbritannien veröffentlichte Geschäftsbericht der A.T. Kearney Holdings von 2014 – die Zahlen von 2015 sind noch nicht veröffentlicht – spricht Bände: Demnach belief sich der weltweite Umsatz der Beratungsfirma auf 1,131 Milliarden US-Dollar – ein Plus von 116 Millionen US-Dollar im Vergleich zu 2013. Der operative Gewinn jedoch ist von 20,2 Millionen Dollar im Jahre 2013 auf 8,5 Millionen Dollar im Jahre 2014 gesunken.
Das Gesamtergebnis sieht noch düsterer aus. Demnach ist A.T. Kearney 2014 in die roten Zahlen gerutscht: Das Minus (Total Comprehensive Loss) betrug 30,4 Millionen Dollar. 2013 hatte man immerhin noch einen Gewinn von 16,4 Millionen Dollar ausgewiesen.
Auch der Abstand zu den Wettbewerbern, den Aurik (Firmenfoto: A.T. Kearney) eigentlich verkleinern wollte, wird immer größer. Das gilt vor allem für McKinsey & Company. Der Branchenprimus erzielte laut Manager Magazin 2014 weltweit 7,7 Milliarden US-Dollar Umsatz, ein Plus von rund 700 Millionen US-Dollar im Vergleich zu 2013. 2015 konnte McKinsey noch einmal ordentlich zulegen, und zwar auf 8,4 Millionen Dollar.
A.T. Kearney fällt zurück, und zwar nicht nur gegenüber McKinsey. Auch andere Konkurrenten ziehen an Auriks Beratern vorbei. Das gilt gerade auch für den Bereich Financial Services. Sicher: A.T. Kearney war auf diesem Geschäftsfeld noch nie eine besonders große Nummer. In den vergangenen Jahren aber hat sich der Wettbewerb weiter verschärft, etwa durch den US-Konkurrenten Oliver Wyman oder durch Branchenspezialisten wie die Münsteraner Firma ZEB.
Die Einsicht, dass man auf diesem Geschäftsfeld hoffnungslos hinterher hinkt, dürfte wohl auch einer der Gründe für den anstehenden Umzug am Finanzplatz Frankfurt gewesen sein.
23. Juni 2016 / pan