Nicht nur deutsche Großkonzerne befinden sich im Visier ausländischer Investoren, sondern auch Mittelständler, vor allem Industrieunternehmen. Welchen Einfluss hat das auf das Geschäft der deutschen Headhunter, Herr Dr. Schlipat?
Schlipat: Einer unserer Berater arbeitet zurzeit für einen chinesischen Auftraggeber, der ein deutsches Unternehmen der Autobranche kaufen will. Ansonsten aber spüren wir diesen Trend nicht so stark. Davon profitieren wohl eher Banker, Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer. Bei Rochus Mummert geht es meist um ausländische Unternehmen, die einen vertriebsstarken Geschäftsführer in Deutschland suchen, oder um deutsche Unternehmen, die Führungskräfte für einen Auslandseinsatz beziehungsweise eine ausländische Tochtergesellschaft benötigen.
Wie viele Aufträge haben einen solchen Auslandsbezug?
Schlipat: Das ist stark schwankend, aktuell etwa ein Drittel.
Bei den deutschen Personalberatern brummt das Geschäft. Laut einer Studie haben die Consultants 2017 im Schnitt acht Prozent mehr Honorar kassiert als im Vorjahr. Wie hat Rochus Mummert abgeschnitten?
Schlipat: Wir liegen mit einem Wachstum von knapp über 20 Prozent weit über dem Branchendurchschnitt. Unser Gruppenumsatz beträgt jetzt 16 Millionen Euro. Rochus Mummert hat damit das beste Ergebnis seiner Unternehmensgeschichte erzielt.
Ihr Unternehmen besteht aus einer Holding und zwei Gesellschaften: Executive Consultants und Healthcare Consulting. Wie unterscheiden sich die beiden Geschäftsbereiche?
Schlipat: Die Berater von Rochus Mummert Executive Consultants begleiten Unternehmen bei der Besetzung von Top- und Schlüsselpositionen und unterstützen sie bei der nachhaltigen Unternehmensentwicklung. Schwerpunkt sind große mittelständische – oft familiengeführte – Unternehmen. Die Berater bei Rochus Mummert Healthcare Consulting sind dagegen Spezialisten für die Besetzung von Führungspositionen im Gesundheitsmarkt.
Wie hat sich das Healthcare Consulting entwickelt, Herr Dr. Windeck?
Windeck: Wir sind mit der Geschäftsentwicklung äußerst zufrieden.
Insbesondere haben wir unsere Position als Marktführer im Healthcare-Bereich gefestigt.
Was heißt für Sie Marktführerschaft?
Windeck: Unsere Berater sind an der Besetzung fast aller relevanten Schlüsselpositionen in der Healthcare-Branche beteiligt. Deswegen sprechen wir von Marktführerschaft.
Um welche Klienten geht es da im Einzelnen?
Windeck: Wir haben die Chefposten in mehreren Universitätskliniken und bei großen Krankenhausbetreibern besetzt. Traditionell stark sind wir aber auch im Bereich der kommunalen Krankenhaus-Gesellschaften und der gemeinnützigen Einrichtungen.
Welche Rolle spielt die Digitalisierung in der Gesundheitsbranche?
Windeck: Die Digitalisierung ist ein großes Thema. Auch die Unternehmen der Gesundheitswirtschaft befinden sich mitten im Umbruch. Die Finanzierung gestaltet sich hier aber häufig schwieriger als in anderen privatwirtschaftlichen Unternehmen. Dennoch konnten wir in den letzten Jahren durchweg eine hohe Dynamik beobachten. Und das hat natürlich auch Auswirkungen auf unser Suchgeschäft.
Was muss der Geschäftsführer einer großen Klinik oder eines Klinikverbundes mit Blick auf die Digitalisierung können?
Windeck: Von einer solchen Führungskraft wird erwartet, dass sie schon einmal erfolgreich Veränderungsprozesse gesteuert und gestaltet hat. Er oder sie kann zum Beispiel erfolgreich die Einführung oder Umstellung von IT-Systemen in einem Unternehmen gemanagt haben. Das ist eine ähnliche Herausforderung wie bei einer Digitalisierung von Teilen eines Geschäfts. Im Vordergrund steht dabei vor allem das Change Management.
Spezielles IT-Wissen ist nicht erforderlich?
Windeck: Unsere Auftraggeber erwarten nicht, dass ein Vorstand oder Geschäftsführer spezielles IT-Wissen hat. Er muss stattdessen die Prozesse, die im Zuge einer Digitalisierung ablaufen, ganzheitlich und aus übergeordneter Unternehmenssicht steuern. Die Digitalisierung vervielfacht und beschleunigt ja Veränderungsprozesse.
Das heißt: Die Anforderungen ans Management sind gestiegen.
Windeck: So ist es. Die Führungskräfte müssen sehr komplexe Themen vorantreiben, Geschäftsmodelle hinterfragen und gegebenenfalls neu denken und insbesondere die Mitarbeiter dabei mitnehmen. Gefragt sind deswegen vor allem kommunikationsstarke Manager, und zwar in jeder Branche, nicht nur im Healthcare-Bereich.
Sind die Gehälter der Manager ebenso in die Höhe geklettert wie die Anforderungen?
Windeck: Ja, die Vergütungen sind deutlich gestiegen, auch und gerade im Krankenhausbereich. Hier lagen die Gehälter vor ein paar Jahren noch unter denen in klassischen Industrieunternehmen. Heute befinden sie sich fast auf demselben Niveau.
Herr Dr. Schlipat, verschlafen die deutschen Familienunternehmer die Digitalisierung?
Schlipat: Keineswegs. In den familiengeführten Unternehmen spielt die Digitalisierung eine große Rolle. Und ich weiß, wovon ich rede, denn Rochus Mummert ist seit vielen Jahren eine Größe in diesem Markt. Was diese Unternehmer aber mindestens genauso beschäftigt, ist die Frage des Generationswechsels.
Die Unternehmer wollen sich zurückziehen und suchen einen Nachfolger, in dessen Hände sie ihr Lebenswerk legen können?
Schlipat: Richtig. 80 bis 90 Prozent meiner Aufträge betreffen die Nachfolge in Familienunternehmen.
Oft steht niemand aus der Verwandtschaft für die Fortführung des Geschäfts zur Verfügung. Unsere Aufgabe ist es dann, eine familienfremde Person zu finden, die entsprechend qualifiziert und bereit ist, das Unternehmen zu führen.
Keine leichte Aufgabe.
Schlipat: Gewiss nicht. Aber wir haben Erfahrung mit schwierigen Fällen und werden immer wieder gerufen, wenn andere aufgegeben haben.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Schlipat: Aktuell arbeiten wir für ein Handelsunternehmen, das es seit fast 100 Jahren gibt. Eigentümer sind zwei Brüder, die sich zur Ruhe setzen wollen. Das Unternehmen ist profitabel, aber der Sitz befindet sich in einer kleinen Stadt zwischen Stuttgart und Ulm. Hier waren bereits drei andere Personalberater tätig. Alle haben die Suche nach einem passenden Manager abgebrochen.
Woran sind sie gescheitert?
Schlipat: Die Unternehmensnachfolge ist keine klassische Stellennachbesetzung. Hier geht es um weit mehr als um fachliche Expertise. Wer die Geschäftsführung eines bis dato inhabergeführten Unternehmens übernehmen möchte, der muss mit Blick auf Werte und Kultur zu dem jeweiligen Unternehmen passen. Darauf legen diese Auftraggeber besonders großen Wert. Häufig liegen die Unternehmen auch nicht in einer Großstadt, sondern in der Provinz. Und dort sind sie nicht selten der größte Arbeitgeber weit und breit. Deswegen bestehen die Eigentümer zurecht darauf, dass eine Führungskraft vor Ort Flagge zeigt, mit der Familie in der Nähe des Unternehmenssitzes wohnt und aktiv am öffentlichen Leben teilnimmt.
Und was macht Sie so sicher, dass es Ihnen gelingt, einen Top-Kandidaten in die schwäbische Provinz zu locken?
Schlipat: Wir arbeiten hart und nehmen uns viel Zeit. In einem sorgfältigen Briefing-Prozess definieren wir die Mindestvoraussetzungen für die Stellenbesetzung, darunter gerade auch die kulturellen und kommunikativen Voraussetzungen. Wir haben das richtige Gespür für solche sensiblen Aufträge und suchen so lange, wie es nötig ist, um eine Führungskraft zu finden, die alle Anforderungen erfüllt.
Müssen die Auftraggeber nicht auch ein gewisses Maß an Flexibilität aufbringen?
Schlipat: Wir machen jedenfalls nicht den Versuch, unsere Klienten zu Abstrichen bei der Qualität zu überreden. Wir bemühen uns stattdessen intensiv um das Vertrauen unserer Auftraggeber. Denn wenn dieses Vertrauen nicht da ist, haben Sie als Berater einen sehr schweren Stand.
Welche Rolle spielt der Standort bei einer Suche für einen Auftraggeber in der Gesundheitswirtschaft, Herr Windeck?
Windeck: Die gleiche wie in anderen Branchen auch: Viele Kandidaten rümpfen zunächst die Nase, wenn sie erfahren, dass ein Unternehmen seinen Sitz nicht in Hamburg, Berlin oder München hat. Unsere Aufgabe ist es, ein Umdenken zu bewirken, und zwar nicht nur bei der Führungskraft, sondern auch bei deren Lebenspartner.
Was sagen Sie den Kandidaten?
Windeck: Das Leben in mittelgroßen oder kleinen Städten ist nicht nur billiger. Auch die Lebensqualität ist oft weitaus höher als in Großstädten oder anderen Ballungszentren. Gerade für ein Ehepaar mit Kindern können das durchaus überzeugende Argumente für einen Umzug sein.
Trotz des immer stärker werdenden politischen und gesellschaftlichen Drucks sind Frauen in den Führungsetagen der deutschen Wirtschaft nach wie vor Ausnahme-Erscheinungen. Haben Sie ein Rezept, wie man das zumindest mittelfristig ändern könnte?
Windeck: Unser Bestreben ist es, die passende Führungspersönlichkeit für die jeweils vakante Position zu finden. Wir orientieren uns dabei an den Anforderungen der Stelle und den Gesamtzusammenhängen im jeweiligen Unternehmen. In diesem Kontext suchen wir dann die passende Kandidatin oder den passenden Kandidaten. Gerade in öffentlich-rechtlichen Unternehmen spielen Gender-Aspekte bei der Besetzung von Spitzenpositionen in der Geschäftsführung oder im Aufsichtsrat eine große Rolle. Dies berücksichtigen wir schon in der Vorbereitung der Suche und bei der Auswahl der anzusprechenden Personen. Hier hilft uns unser über Jahre gewachsenes und auf Vertrauen basierendes Kandidatennetzwerk enorm.
Ab dem 25. Mai gilt in Deutschland die Datenschutz-Grundverordnung. Das Regelwerk verschärft die bereits strengen deutschen Datenschutz-Vorschriften. Wie reagieren Sie darauf?
Schlipat: Diskretion hat bei Rochus Mummert seit jeher einen hohen Stellenwert. Konsequenterweise genießt das Thema Datenschutz bei uns absolute Priorität. Die Regeln der europäischen Datenschutz-Grundverordnung sind bereits in unserer Datenbank hinterlegt.
Das ist alles?
Schlipat: Nein. Wir verschicken zum Beispiel E-Mails nur dann, wenn die Adressaten im Wege eines Double-Opt-In-Verfahrens zugestimmt haben. Vor allem aber: Wir haben als Datenschutzbeauftragten einen externen Dienstleister engagiert, der unsere gesamte Organisation unter datenschutzrechtlichen Aspekten überprüft hat.