Frau Virzí, 2020 war kein gutes Jahr für die Executive Search Consultants: Infolge der Corona-Krise mussten viele Headhuntingfirmen Personal entlassen und andere Sparmaßnahmen ergreifen. Wie war das bei Ihnen?
2020 war für uns ein starkes Jahr – wie auch 2019. Wir konnten unseren Umsatz sogar noch etwas steigern.
Welchen Umsatz haben Sie erzielt?
Unser Geschäft basiert auf Vertraulichkeit. Da werden Sie verstehen, dass ich keine Zahlen nenne.
Viele Headhunter klagen über wachsenden Preisdruck. Manche Ihrer Wettbewerber arbeiten für Mini-Honorare oder sogar auf Erfolgsbasis: Der Auftraggeber zahlt nur dann, wenn er einen der präsentierten Kandidaten einstellt. Wie reagieren Sie, wenn Ihre Auftraggeber Ihr Honorar kürzen wollen?
Das ist bei uns tatsächlich kein Thema. Im Topsegment der Branche, wo wir uns bewegen, zählen andere Faktoren – nicht der Preis. Unsere Klienten suchen in der Zusammenarbeit nach absoluter Qualität, nach einem frischen, auch internationalen Ansatz, nach Vertraulichkeit und eben auch nach Schnelligkeit.
Üblicherweise kassieren Executive Search Consultants ein Drittel von dem, was die gesuchte Führungskraft an Jahresgesamtbezügen erhalten soll, Nebenleistungen wie Dienstwagen und Altersversorgung mit eingerechnet. Wie teuer sind Sie?
Wir passen unser Honorar der Schwierigkeit des Auftrags und dem voraussichtlichen Aufwand an und achten darauf, dass es für alle Seiten angemessen bleibt. Wenn die Bezüge bei fünf Millionen Euro lägen, würden wir sicher keine eineinhalb Millionen Euro als Honorar ansetzen.
Die Corona-Krise dauert an. Wagen Sie trotzdem eine Prognose, wie Sie in diesem Jahr abschneiden werden?
Wir hatten zumindest einen guten Start, weil wir Ende 2020 zwei sehr attraktive Mandate bekommen haben. Dem Wunsch unserer Klienten entsprechend haben wir im Januar 2021 mit den entsprechenden Suchen begonnen.
Und auch jetzt spüren wir viel Bewegung im Markt. Ich bin zuversichtlich, dass sich das so fortsetzt.
Worauf stützen Sie Ihren Optimismus?
Ich bin der Meinung, dass sich Qualität durchsetzt. Viele unserer Aufträge erhalten wir, weil uns unsere Klienten empfehlen. Sie schätzen es, dass wir maßgeschneiderte Prozesse bieten und sehr eng und vertrauensvoll mit dem Chairman, dem Board und dem Vorstand zusammenarbeiten.
In den letzten Jahren ging der Trend zumindest bei großen Konzernen hin zur Konzentration auf einige wenige Dienstleister – Preferred Supplier, die bevorzugt werden, weil sie weltweit tätig sind. Kann da eine primär im deutschsprachigen Raum tätige Beratungsfirma wie die Ihre überhaupt mithalten?
Der Markt ist groß genug, so dass jede Form der Beratung ihre Berechtigung hat. Ich habe allerdings den Eindruck, dass sich zunehmend mehr Klienten hin zu Search Boutiquen orientieren.
Können Sie ein Beispiel dafür nennen?
Ich kann Ihnen zumindest sagen, dass es die Organisation der großen Personalberatungen nicht erlaubt, dass sich ein Berater eingehend mit allen Kandidaten beschäftigt. Das übernimmt dort ein Research-Team und die Junior-Berater. Der Berater selbst ist erst sehr spät in den Prozess involviert. Die Folge sind ellenlange Longlists mit Namen und Profilen aus der firmeneigenen Datenbank.
Ist es nicht vielmehr so, dass die Großen im Search Business immer wieder Probleme bekommen, weil sie sich durch sogenannte Off-Limits-Klauseln in den Verträgen verpflichten, keine Führungskräfte bei ehemaligen Auftraggebern abzuwerben?
Liest man das Kleingedruckte, gelten diese Klauseln oft nur für ein Jahr und nur für einen begrenzten Teil des Unternehmens eines Klienten. Sobald eine Off-Limits-Klausel nicht mehr greift, haben die Berater die Möglichkeit, die besten Kräfte aus dem Kader ehemaliger Kunden abzuwerben – insbesondere dann, wenn sie bei dem Klienten auch Management Assessments durchgeführt haben.
Diese Assessments oder Management Audits sind ja durchaus sinnvoll, insbesondere wenn der Klient wissen will, ob er eine neue oder frei werdende Position im Unternehmen nicht einfach mit einer Person aus den eigenen Reihen besetzen soll.
Ja. Aber durch diese strukturierten Interviews erhalten die Berater wertvolle Informationen über das Führungspotenzial in einem Unternehmen.
Können Sie einen konkreten Fall nennen, wo ein Headhunter einen Goldfisch aus dem Teich eines ehemaligen Kunden geangelt hat?
Wirklich jeder meiner Auftraggeber kann Ihnen von einem Fall berichten, bei dem ihm oder ihr das schon passiert ist. Das ist auch der Grund, warum Executive Search und Management Audits nicht von ein und derselben Firma durchgeführt werden sollten. Es gibt schließlich hervorragende, spezialisierte Anbieter für außerordentlich hochwertige Management Audits.
Für große Unternehmen, deren Aktien an der Börse notiert und die paritätisch mitbestimmt sind, gelten seit kurzem in Deutschland neue Regeln: Besteht der Vorstand aus vier Personen oder mehr, muss mindestens ein Vorstandsmitglied eine Frau sein. Was halten Sie von diesem Gesetz?
Ich bin der Meinung, dass ein Unternehmen generell gut daran tut, sein gesamtes Management möglichst heterogen aufzustellen. Es geht also um weitaus mehr als nur um eine Frau im Vorstand. Ziel sollte sein, dass sich die Zusammensetzung der Kundschaft eines Unternehmens in gewisser Weise im Management widerspiegelt.
Von der aktuellen Neuregelung sind etwa 70 Unternehmen betroffen, von denen rund 30 derzeit keine Frau im Vorstand haben. Gibt es denn überhaupt genug qualifizierte Frauen für die Neubesetzung dieser Posten?
Ja, sicher, insbesondere dann, wenn man nicht darauf besteht, dass jedes Vorstandsmitglied Deutsch spricht. Wenn sich die Unternehmen da flexibel zeigen, haben sie wirklich keine Probleme, Spitzenpositionen mit hervorragend qualifizierten Frauen zu besetzen – auch in technischen Bereichen. Man muss allerdings darauf achten, dass es kulturell passt.
Was meinen Sie damit?
Wir haben bei Besetzungen immer wieder gute Erfahrungen mit einem europäischen Such-Ansatz gemacht. Wenn eine Führungskraft bereits valide Erfahrung in Europa sammeln konnte, gibt es kaum größere Schwierigkeiten mit der Anpassung an die Kultur in deutschen Unternehmen. Das funktioniert sehr gut.
In Deutschland bilden mittelständische Unternehmen das Rückgrat der Wirtschaft. Und viele Mittelständler haben ihren Sitz in der Provinz. Wie stehen die Chancen, dass eine hochkarätige Managerin wegen eines Spitzenjobs mit ihrer Familie zum Beispiel nach Ostwestfalen zieht?
Deutschland ist ein fantastisches Land mit vielen, attraktiven Unternehmen. Und es gibt durchaus Fälle, wo ausländische Topmanager für Unternehmen mit Sitz in der deutschen Provinz arbeiten, wobei ich nicht nur an Adidas denke –
– den bekannten Sportartikelhersteller in Herzogenaurach bei Nürnberg, wo der Däne Kasper Rorsted an der Spitze steht.
Mir fällt auch das Beispiel eines klassischen Maschinen- und Anlagenbauers ein. Das Unternehmen mit Sitz in einer mittelgroßen Stadt in Süddeutschland wird von einem schwedischen Manager geführt.
Trotzdem: Das sind Einzelfälle. Ist es nicht nach wie vor sehr schwer, eine ausländische Führungskraft für einen Job in der deutschen Provinz zu begeistern?
Ja, das ist es. Aber die Corona-Pandemie hat für ein Umdenken bei Unternehmern und Aufsichtsräten gesorgt. Man kann sich heute durchaus vorstellen, dass eine Führungskraft nicht die ganze Zeit vor Ort am Sitz eines Unternehmens leben und arbeiten muss. Auch deutsche Manager pendeln ja häufig zwischen dem Sitz des Unternehmens, für das sie arbeiten, und dem Ort, wo ihre Familie lebt.