Outplacementberater haben immer dann Hochkonjunktur, wenn Unternehmen Personal abbauen. Derzeit ist das nicht der Fall. Müssen Sie Däumchen drehen, Frau von Rundstedt?
Klassische Outplacements sind seit einigen Jahren tatsächlich nicht mehr so gefragt wie früher. Und dennoch haben wir viel zu tun.
Wieviel Umsatz machen Sie?
2021 betrug unser Gruppenumsatz in Deutschland etwa 35 Millionen Euro. Der Jahresabschluss für 2022 liegt allerdings noch nicht vor.
Ihre Firmengruppe ist auch in Österreich und der Schweiz aktiv. Wenn Sie diese Aktivitäten mit einbeziehen: Wie hoch ist dann der Umsatz?
Österreich spielt bei uns eine Sonderrolle. Der Markt dort unterscheidet sich sehr vom deutschen und schweizerischen. Deswegen sind wir in Wien lediglich mit einem Lizenznehmer vertreten. In der Schweiz sind wir Marktführer, obwohl wir dort erst seit 2014 aktiv sind.
Welchen Umsatz erzielen Sie in der Schweiz?
Umgerechnet etwas über 10 Millionen Euro. Das heißt: Wenn man unsere gesamten Auslandsaktivitäten mit einrechnet, beträgt unser Umsatz etwa 45 Millionen Euro.
Beeindruckend. Trotzdem wirkt Ihre Firma wie ein Zwerg im Vergleich zu weltweit tätigen Zeitarbeitsriesen mit Tausenden von Mitarbeitenden und Milliardenumsätzen. Ihr Düsseldorfer Konkurrent Mühlenhoff wurde unlängst vom niederländischen Personaldienstleister Randstad geschluckt. Wann werden Sie Ihre Firma verkaufen?
Mühlenhoff ist ein Spezialfall, da der Gründer der Firma – übrigens ein ehemaliger Mitarbeiter unseres Unternehmens – verstorben war. Und weil der Gründer sozusagen das Herz der Firma war, war der Verkauf ein logischer Schritt. Bei uns ist die Situation anders. Wir müssen nicht verkaufen. Wir haben viele Möglichkeiten zu wachsen und werden diese auch nutzen.
Weltweit tätige Unternehmen suchen sich zumeist Dienstleister, mit denen sie Rahmenverträge über eine weltweite Zusammenarbeit schließen. Fehlt Ihnen nicht die Reichweite, die Sie unter dem Dach eines Zeitarbeitskonzerns oder einer großen HR-Beratungsfirma geboten bekämen?
Von Rundstedt ist Mitgründer der Career Star Group. Das ist ein enger Zusammenschluss von inhabergeführten Firmen aus über 100 Ländern. So sind wir auch in Nordamerika vertreten, dem größten Markt für unsere Dienstleistungen. Wir haben bereits einige Ausschreibungen für Rahmenverträge mit Global Playern aus den USA gewonnen und beraten diese Konzerne in Deutschland.
Ist das der Grund, warum Ihre Leute gut zu tun haben, obwohl die Nachfrage nach klassischen Outplacements sinkt?
Der Hauptgrund ist, dass die Dimensionen unserer Beratungsprojekte wesentlich größer sind als früher. Vor 20 Jahren haben wir zumeist einige wenige Manager auf der mittleren und oberen Führungsebene gecoacht, bis sie einen neuen Job hatten. Heute haben wir es meist mit Hunderten Beschäftigten in komplexen Projekten zu tun.
Betreuen Sie überhaupt noch Klienten aus dem Management?
Ja, sicher. Und wir verzeichnen auch hier, wo wir es mit Vorstandsmitgliedern oder Geschäftsführern zu tun haben, steigende Umsätze. Wir nennen diese Beratungstätigkeit aber nicht Outplacement, sondern Karriere-Coaching oder Career Consulting. Das ist ein kleiner Markt, aber äußerst lukrativ…
…weil die Manager oft genug mit dicken Abfindungen aus den Unternehmen ausscheiden.
Jedenfalls ist unser Honorar ein eher untergeordneter Posten auf der gesamten Rechnung. Tatsächlich gibt es aber immer mehr Führungskräfte, die sich von uns coachen lassen, ohne dass eine Trennung oder ein Wechsel zu einem anderen Unternehmen beabsichtigt wäre. In solchen Fällen sind die Manager selbst unsere Auftraggeber – im Gegensatz zum klassischen Outplacement, wo das Unternehmen den Auftrag vergibt.
Es ist keine zwei Jahre her, dass von Rundstedt auch Executive Search im Angebot hatte. Warum haben Sie Ihre Headhunter-Tochtergesellschaft, die Ihr Bruder geführt hatte, dicht gemacht?
Es gab kaum Synergien. Der Markt unterscheidet sich stark von unseren anderen Dienstleistungen. Die Entscheider für das Recruiting von Executives sind andere als diejenigen, die über Outplacement und Transfermaßnahmen entscheiden. Somit war der logische Schritt die gesellschaftsrechtliche Trennung. Mein Bruder hat den Geschäftsbetrieb übernommen und führt diesen seitdem mit Partnern unter dem Namen RED Executive Search weiter.
Welche Unternehmen sind Ihre typischen Kunden?
Generell sind es Unternehmen, die unter starkem Veränderungsdruck stehen, etwa im Maschinen- und Anlagenbau oder auch in der Automobilindustrie. Viele bekannte Banken zählen zu unseren Kunden, ebenso traditionelle Handelskonzerne, die wegen der Inflation, des rückläufigen Konsums oder der Konkurrenz durch internetbasierte Händler in Schwierigkeiten geraten.
Stimmt es, dass Sie den Essener Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof beraten?
Unser Geschäft basiert auf strikter Vertraulichkeit. Wir nennen keine Namen oder Auftraggeber.
Und dennoch pfeifen die Spatzen vom Dach, dass der Konzern zu Ihren Kunden zählt.
Die Landesregierung NRW hat uns als Berater benannt, und zwar in einer Antwort auf eine Landtagsanfrage. Seitdem ist öffentlich, dass wir die Mitarbeitenden von Galeria Karstadt Kaufhof 2020 beraten haben. Zum aktuellen Stand kann ich jedoch nichts sagen.
Verraten Sie uns, was Sie jenen Verkäuferinnen oder Verkäufern gesagt haben, die 30 oder 40 Jahre lang in einem Warenhaus beschäftigt waren und plötzlich vor dem beruflichen Aus standen?
Die Situation, in der sich solche langjährigen Mitarbeitenden befinden, ist sehr schwierig. Erst recht dann, wenn ein Unternehmen Insolvenz anmelden muss. Oft gibt es in diesen Fällen wenig Geld für Sozialpläne und wenig Zeit für das Coaching der Betroffenen. Aber selbst in solchen Fällen sind unsere Leute in der Lage, das Selbstvertrauen der Betroffenen zu stärken, ihnen Mut zu machen und Perspektiven aufzuzeigen.
Welche Perspektiven – Frührente?
Die Perspektiven sind unterschiedlich. Je nachdem, was die Betroffenen in ihrem Berufsleben jeweils gemacht haben, welche Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen sie mitbringen und ob sie bereit sind, noch einmal etwas Neues zu lernen, sich für einen anderen Beruf zu qualifizieren.
Können Sie Beispiele nennen?
Es gibt derzeit viele Branchen und Berufe, wo Personal gesucht wird. Wir arbeiten beispielsweise mit Verkehrsbetrieben zusammen, die auf der Suche nach neuen Mitarbeitenden sind. Auch in der Pflege steckt viel Potenzial. Manchmal ist es auch ein Hobby, das einem Betroffenen weiterhilft. Ich erinnere mich zum Beispiel an einen ehemaligen Bankmanager, der heute als Geschäftsführer eines Golfclubs arbeitet.
Mit welcher Dienstleistung erzielen Sie zurzeit den größten Teil Ihres Umsatzes?
Das Segment, in dem wir in den vergangenen Jahren am stärksten zulegen konnten, ist Workforce Transformation.
Worum geht es dabei?
Es geht um Veränderungen im Unternehmen, die sich auf die Zusammensetzung der Belegschaft auswirken. Eine solche Veränderung kann zum Beispiel eine Restrukturierung sein, aber auch ein allgemeiner Umbau im Unternehmen, etwa wenn digitale Geschäftsmodelle das traditionelle Geschäft verändern.
Aber gerade in solchen Situationen steht doch immer auch ein Personalabbau an.
In erster Linie geht es darum, den Veränderungswillen der Mitarbeitenden zu stärken.
Ohne dass sie das Unternehmen verlassen?
Unsere Kernkompetenz als Berater ist es, Dynamik in ein Unternehmen zu bringen und die Menschen auf ihrem Weg durch berufliche Veränderungen zu begleiten. Dabei macht es für uns keinen großen Unterschied, ob sich Mitarbeitende innerhalb eines Unternehmens verändern oder ob sie das Unternehmen verlassen und anderswo neue berufliche Perspektiven suchen. Auch bei einer Veränderung innerhalb eines Unternehmens stehen die Betroffenen vor der Herausforderung, sich auf dem unternehmensinternen Arbeitsmarkt bewerben und sich entsprechend qualifizieren zu müssen.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Aktuell arbeiten wir für ein Unternehmen, das sich entschieden hat, zwei Geschäftsbereiche auf zwei Gesellschaften aufzuteilen, die abgespaltet werden sollen. Dabei werden auch zentrale Bereiche aufgeteilt. Wir beraten und unterstützen das Management dabei in mehrfacher Hinsicht.
Wie sieht das konkret aus?
Zunächst haben wir dem Management geholfen, Ruhe ins Unternehmen zu bringen. Das ist vor allem dann nötig, wenn die Nachricht von einem bevorstehenden Umbau bereits durchgesickert ist oder die Pläne gar in der Öffentlichkeit bekannt geworden sind. Dann kommt Angst bei den Mitarbeitenden auf, es herrscht Alarmstimmung, es gibt hitzige Diskussionen und die Produktivität leidet. Hier helfen wir dem Management, die Belegschaft zu beruhigen. Wir sprechen auf Betriebsversammlungen, diskutieren in Gruppen, führen Einzelgespräche.
Was sagen Sie den Mitarbeitenden?
Wir versuchen so transparent und sachlich wie möglich zu kommunizieren. Dabei ist essenziell, keine falschen Versprechungen zu machen oder mit Halbwahrheiten zu arbeiten. Ein Teil der Gespräche ist es auch, unseren Einsatz und unsere Hilfestellung klar zu beschreiben, also etwa das Coaching von Personen, die einen Aufhebungsvertrag unterzeichnen und mit unserer Hilfe außerhalb des Unternehmens einen neuen Job suchen.
Wie geht es dann weiter?
Wir versuchen, eine positive Veränderungsdynamik im Unternehmen zu erzeugen. Ein wichtiger Teil ist, das richtige Mind-Set zu fördern.
Was verstehen Sie unter Mind-Set?
Es geht um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die offen für Veränderungen sind und damit auch über die nötigen Fähigkeiten für eine Mitarbeit in der neuen Organisation verfügen. Oft wissen die Führungskräfte bereits, wer das ist, denn als Manager kennen sie die Mitarbeitenden meist seit Jahren. Sie wissen, wer welches Potenzial hat, wer flexibel ist und wer nicht.
Was machen Sie in den Fällen, wo das Management noch nicht weiß, wer bleiben darf?
In diesen Fällen helfen wir bei der Identifikation der Beschäftigten, die bleiben. Zum Beispiel über spezielle Assessments, wenn unsere Auftraggeber das wünschen.
Was geschieht mit den Beschäftigten, die nicht über das entsprechende Mind-Set und die passenden Fähigkeiten verfügen?
Diese Beschäftigten coachen wir mit dem Ziel, sie in andere Jobs zu vermitteln. Jobs, die besser zu ihren Fähigkeiten passen.
Welche Rolle spielt der Betriebsrat bei einer Workforce Transformation?
Der Betriebsrat spielt eine sehr wichtige Rolle. Denn nur, wenn der Betriebsrat an das erarbeitete Konzept glaubt, kann ein Umbau gelingen. Aus diesem Grund haben wir auch zwei ehemalige Betriebsräte in unserem Beraterteam. Übrigens sehen wir uns bei solchen Projekten grundsätzlich in der Rolle eines neutralen Partners. In jeder Veränderungssituation müssen alle Stakeholder im Boot sein, damit eine Veränderung gelingt. Wir sind die neutrale Partei, die im Zweifelsfall vermitteln kann.
Haben Sie in Ihrer Firma einen Betriebsrat?
Nein.
Warum nicht?
Wir haben eine Firmenkultur, die stark auf Eigenverantwortung und Eigeninitiative basiert. Die meisten unserer Mitarbeitenden sind hoch qualifiziert und sehen sich als Mit-Unternehmer. Wir sind nach innen hin maximal transparent, kommunizieren offen unsere Zahlen und Ziele. Jeder, der bei uns arbeitet, ist am Erfolg der gesamten Firma direkt beteiligt. Unsere Consultants, die vor Ort bei den Unternehmen sind, sollen souverän verhandeln und schnell entscheiden können. Jeder fühlt sich ernst genommen. Diese Kultur bewirkt, dass unsere Mitarbeitenden ihre Interessen gewahrt und keine Notwendigkeit für einen Betriebsrat sehen.
Was machen Sie, wenn sich der Betriebsrat bei einem Auftraggeber dafür einsetzt, dass zum Beispiel eine von Ihnen vorgeschlagene Transfergesellschaft nicht von Ihnen, sondern von einem gewerkschaftsnahen Anbieter organisiert werden soll?
Solche Fälle gab es früher immer wieder einmal. Das war für uns dann in der Tat schwierig und enttäuschend. Wir nehmen jeden Auftrag sehr ernst, entwerfen und präsentieren ein durchdachtes Konzept und leisten bei allen Beteiligten harte Überzeugungsarbeit. Wir wollen immer, dass ein Auftrag im Sinne aller Beteiligten zum Erfolg wird. Dass die Entscheidung dann für einen anderen Anbieter fällt, passiert heute nur noch sehr selten. In den allermeisten Fällen bekommen wir den Auftrag für die Umsetzung unseres gesamten Konzepts.
Was gibt den Ausschlag zu Ihren Gunsten?
Zum einen arbeiten wir Hand in Hand mit den Sanierungsspezialisten bekannter Beratungsfirmen. Auch mit Arbeitsrechtlern bekannter, internationaler Kanzleien arbeiten wir sehr eng zusammen. Diese Experten schätzen unsere Professionalität und empfehlen uns sehr häufig weiter. Außerdem: Wir überzeugen das Management oft mit unserem Ansatz, Konzept und Umsetzung aus einer Hand zu liefern. Kommt zunächst nur das Konzept von uns, ist es für die Entscheidung, wer die Umsetzung macht, natürlich von Vorteil, dass uns das Management bereits kennt und unsere Arbeitsweise zu schätzen gelernt hat.