Totgesagte leben länger: Den deutschen Personalberatern, für die mancher Zeitgenosse wegen des Erfolgs von Internetplattformen wie Xing oder LinkedIn und wegen des Trends zum Einsatz von Big-Data-Lösungen beim Recruiting schon das Sterbeglöckchen geläutet hatte, geht es blendend. Das Geschäft der Kopfjäger läuft wie geschmiert. Das zeigt eine Studie, die der Bonner Beraterverband BDU gestern veröffentlicht hat.
Tausende Male sind die deutschen Headhunter im vergangenen Jahr auf die Pirsch gegangen, haben mehrere hunderttausend Führungskräfte und Spezialisten ins Visier genommen, die passenden Kandidaten ausgewählt und auf diese Weise fast 60.000 vakante Stellen besetzt.
Knapp sieben Prozent mehr Umsatz
Die Arbeit der Consultants mag zwar bisweilen mühevoll sein, aber sie zahlt sich aus.
Genauer: 1,8 Milliarden Euro haben die Kopfjäger im vergangenen Jahr kassiert. Das sind knapp sieben Prozent mehr als 2014, wo sich der Gesamtumsatz der Branche auf 1,7 Milliarden Euro belief. Und es ist ein weiterer Rekord: Noch nie zuvor hat man im deutschen Search Business so viel Geld verdient.
Laut der Studie mit dem Titel „Personalberatung in Deutschland 2015/2016“ sind auch die Aussichten für die Branche mehr als nur rosig: Im Schnitt werden die Consultants 2016 ein Umsatzplus von über acht Prozent erwirtschaften, so die Prognose des Verbands.
Trotz der glänzenden Zahlen will Regina Ruppert (Foto) nicht von einem Boom sprechen. Doch die BDU-Vizepräsidentin, die im Hauptberuf Geschäftsführerin der Berliner Personalberatungsfirma Selaestus ist, kann ihre Vorsicht bei der Wortwahl nicht überzeugend begründen. Vielleicht liegt das daran, dass sich die Consultants gegen eine immer stärker werdende Konkurrenz zur Wehr setzen müssen.
Genauer: Laut BDU-Statistik gibt es in Deutschland 6.600 Personalberater in rund 2.000 Consultingfirmen. Um die Aufträge zur Besetzung von Stellen buhlen jedoch keineswegs nur Personalberater.
Giganten mit Milliardenumsätzen
Der Markt teilt sich in zwei Segmente. Auf der einen Seite stehen Qualitätsanbieter, zu denen der BDU vor allem die eigene Klientel zählt – seriöse, etablierte Berater, die für ihre Klienten Personal auf unterschiedlichen Wegen suchen und dabei mit ausgefeilten Beurteilungsmethoden arbeiten. Auf der anderen Seite stehen Personaldienstleister, die mit schneller Suche über Datenbanken punkten wollen.
Zu letzterer Gruppe gehören die Zeitarbeitsunternehmen, allen voran Giganten mit Milliardenumsätzen wie Adecco, Randstad oder Manpower. Hinzu kommen Recruiting-Agenturen aus den USA oder Großbritannien wie Hays, Robert Walters oder Michael Page.
Diese Personaldienstleister sind nicht nur schnell, sondern auch billig. Die meisten arbeiten zudem auf Erfolgsbasis. Im Gegensatz dazu fordern die Headhunter happige Honorare und schreiben bereits die erste Rechnung, wenn der Auftraggeber einen Vertrag unterzeichnet hat.
Personaldienstleister bieten auch klassische Personalberatung
Dass die Konkurrenz der Billiganbieter immer stärker wird, bestätigt auch die überwiegende Mehrheit jener Berater, die der BDU für seine Studie befragt hat. Was die Studie jedoch nicht sagt: Die Personaldienstleister bewegen sich längst auch auf jenen Feldern, die früher ausschließlich von den etablierten Consultants beackert wurden.
So betreibt etwa die schweizerische Zeitarbeitsfirma Adecco über ihre Tochtergesellschaft DIS AG auch eine klassische Personalberatungsfirma namens Badenoch & Clark. Gleiches Bild beim englischen Recruiting-Konzern Michael Page, der mit seinem Geschäftsbereich Page Executive auf das Geschäft der etablierten Consultants zielt.
Als Königsdisziplin des Recruiting Business gilt das sogenannte Executive Search. Dabei fahnden die Personalberater systematisch nach den passenden Kandidaten – bevorzugt bei den Konkurrenten ihrer jeweiligen Auftraggeber, rufen die für den vakanten Job infrage kommenden Personen an und loten deren Bereitschaft zum Wechsel aus.
Executive Search ist kein Alleinstellungsmerkmal mehr
Diese Dienstleistung war früher das Alleinstellungmerkmal einiger weniger weltweit tätiger Beratungsfirmen, etwa Egon Zehnder, Spencer Stuart oder Russell Reynolds, sowie von hochkarätigen Search Boutiquen wie Dieter Rickert (Büro Rickert), Hermann Sendele (Board Consultants International) oder Heiner Thorborg.
Heute bieten fast alle Personalberater Executive Search als Dienstleistung an. Laut Studie kombinieren die meisten Berater diese Suchmethode jedoch mit Stellenanzeigen in Printmedien, Job Postings im Internet und der Suche in den Verzeichnissen von sozialen Netzwerken.
Die BDU-Statistik zeigt, dass jeder zweite Auftrag im vergangenen Jahr eine sogenannte kombinierte Suche nach sich zog. „Besonders bei der Suche nach Spezialisten und Kandidaten unterer Managementebenen sind diese verknüpften Identifizierungs- und Ansprachemöglichkeiten nicht mehr wegzudenken“, sagt Wolfram Tröger, Chef der Personalberatungsfirma Tröger & Cie. und Vorsitzender des BDU-Fachverbands Personalberatung (Foto). Und: Laut Statistik erfolgten 2015 nur noch vier Prozent der Stellenbesetzungen ausschließlich über Stellenanzeigen in Printmedien.
Ein weiterer Trend ist die Ausweitung des Dienstleistungsangebots bei den etablierten Beratern. Ein Auftrag zur Besetzung einer offenen Stelle sei früher mit der Unterzeichnung des Dienst- oder Arbeitsvertrags abgeschlossen gewesen, sagt Tröger. Heute jedoch coachen viele Consultants den platzierten Kandidaten in den ersten Monaten im Job. Über dieses „Onboarding“ hinaus versuchen die Berater, den Kontakt zu den Kandidaten noch weitaus länger zu pflegen. Das sei zwar keine bezahlte Dienstleistung, zahle sich aber dennoch auf längere Sicht aus, so Tröger, denn mancher erfolgreich platzierte Kandidat steige weiter auf und wandle sich zum Auftraggeber.
12. Mai 2016 / pan / Firmenfotos: Selaestus, Tröger & Cie.