Sag zum Abschied lieber pssst: Viele Beratungsfirmen ziehen alle verfügbaren PR-Register, wenn sie einen Top-Consultant von ihrer Konkurrenz abgeworben haben. Wenn aber einer dieser Hochkaräter – aus welchem Grund auch immer – später ausscheidet, herrscht meist Funkstille. Auch das deutsche Management des US-Sanierungsspezialisten Alix Partners verhält sich nicht recht viel anders. Das zeigt ein aktueller Fall.
Sanierungsberater, Turnaround Consultants oder, wie manche sagen, „Struckies“: Das waren einmal die Raubeine des Consulting Business, knallharte Kerle wie Karl Kraus, der frühere Chef der Restrukturierungssparte der Münchner Consultingfirma Roland Berger, oder wie Walter P. J. Droege, Chef der Düsseldorfer Droege Group, der sich eine goldene Nase in dieser äußerst lukrativen Nische der Beratungsindustrie verdient hat (siehe ConsultingStar, Bericht vom 17. Juli 2014).
Spektakuläre Pleiten
Heute inszenieren sich die Sanierungsberater eher als kühl kalkulierende Strategen. Doch immer noch werden sie vor allem dann gerufen, wenn ein Unternehmen bis zum Hals in Schwierigkeiten steckt oder bereits Insolvenz angemeldet hat. So weckt denn auch der Name der 1981 von dem ehemaligen Wirtschaftsprüfer Jay Alix (Foto) in den USA gegründeten Firma Alix Partners vor allem Erinnerungen an so spektakuläre Pleiten wie beim Autogiganten General Motors, beim Energieriesen Enron, dem Telekommunikationskonzern WorldCom und dem Handelsunternehmen Kmart.
Meist müssen die Consultants unter großem Zeitdruck Sanierungskonzepte erarbeiten, Sozialpläne erstellen, Kündigungen aussprechen, mit Banken und anderen Gläubigern sowie potenziellen Käufern verhandeln und vieles mehr. Kein Job für Leute mit schwachen Nerven: In den weniger aufregenden Fällen schrammen die Sanierungsexperten hart an der Pleite vorbei. Und oft genug stehen sie wegen ihrer Arbeit mit einem Bein im Gerichtssaal – oder auch mit beiden, so wie Alix Partners im Fall des bekannten Modelleisenbahnherstellers Märklin (siehe ConsultingStar, Bericht vom 24. September 2009).
Gedrängel in der Nische
Experten, die solche Aufgaben bewältigen können, sind selten. Und um diese raren Exemplare der Gattung Consultant balgen sich nicht nur Sanierungsspezialisten wie Alix Partners oder Alvarez & Marsal. Auch McKinsey, Boston Consulting und andere Firmen, deren Consultants früher Angst hatten, sich die Finger im heißen Geschäft mit der Sanierung von Pleitekandidaten zu verbrennen, drängeln sich heute in diesem Segment der Beratungsindustrie.
Die Folge ist ein extrem angespannter Arbeitsmarkt. Die Chefs der Consultingfirmen jagen hinter erfahrenen Sanierungsberatern her wie der Teufel hinter den armen Seelen. Und wenn sie – meist per Headhunter – einen dieser Consultants von einem Konkurrenten weg in die eigene Firma gelockt haben, freuen sich stets auch die PR-Dienstleister, dürfen sie doch die frohe Botschaft über den Wechsel mit allen zur Verfügung stehenden Fanfaren verkünden.
Einer der „profitabelsten Partner“
So rauschte es auch heftig im deutschen Blätterwald, als Roman Zeller (unteres Foto) von Bain & Company zu Alix Partners überlief. „Mit Roman Zeller verliert die Münchener Strategieberatung plötzlich und unerwartet einen ihrer profitabelsten Partner“, schrieb das Manager Magazin. Der Wechsel sorge bei Bain für eine Honorarlücke von zehn Millionen Euro jährlich, so das Hamburger Fachblatt.
Das war Ende 2002, ist also schon eine kleine Ewigkeit her. Damals war Alix Partners in Deutschland so gut wie unbekannt. Der eingeschaltete Headhunter musste deswegen gewiss lange locken, um Zeller von Bain & Company loszueisen. Und mit Sicherheit hatte Alix Partners auch ein besonders dickes Gehaltspaket für den Ex-Bainie schnüren müssen. Wenn man aber so wie Zeller fast 15 Jahre lang zu den Spitzenverdienern der deutschen Consultingbranche gehörte, hat man es eigentlich nicht mehr nötig, sich jeden Montagmorgen aus dem Bett zu quälen und im ersten Flieger zum Einsatzort zu düsen.
Mehrfache Eigentümerwechsel
Hinzu kommt, dass Alix Partners in den letzten Jahren mehrfach die Eigentümer gewechselt hat. Zuletzt – im November 2016 – verkaufte der Private-Equity-Investor CVC seine Anteile an der Firma an ein Konsortium, dem neben Jay Alix eine kanadische Bank, ein Pensionsfonds und die Bahrainische Investcorp Group angehören. Die Consultants selbst halten nur noch einen kleinen Anteil an Alix Partners.
Das dürften die maßgeblichen Gründe sein, warum Roman Zeller seit Kurzem nicht mehr für das Unternehmen arbeitet. Laut einer aktuellen Veröffentlichung im Münchner Handelsregister ist der 56-jährige Consultant als Geschäftsführer der Alix Partners GmbH, München, ausgeschieden.
Auf Tauchstation
ConsultingStar hat versucht, mit Zeller in Kontakt zu treten. Ohne Erfolg. Der im Münchner Nobelvorort Grünwald ansässige Berater ist auf Tauchstation. Es ist schon eigenartig: Alix Partners macht heute mit rund 90 Mitarbeitern einem Umsatz von schätzungsweise 60 Millionen Euro und ist damit vermutlich die Nummer 1 im Segment der Sanierungsberater in Deutschland. Und diese Marktposition ist mit Sicherheit auch ein Verdienst von Zeller.
Dennoch lässt Alix Partners' Deutschland-Chef Michael Baur die Anfrage von ConsultingStar nach den Gründen für Zellers Ausscheiden von einer PR-Agentur mit einem einzigen Satz beantworten: „Roman Zeller hat sich Ende 2016 nach 30-jähriger Tätigkeit im Consulting aus diesem Business zurückgezogen, um sich fortan eigenen Unternehmungen zu widmen.“
Die ConsultingStar-Recherche ergibt, dass Zeller Inhaber eines Unternehmens mit der Bezeichnung Classic Car Center in Oberhaching am Rande von München ist. Dabei handelt es sich um einen schmucklosen, umzäunten Gebäudekomplex mit zahlreichen Garagen, speziell ausgerüstet für die Besitzer von Oldtimern. Einer der Mieter ist ein Fachbetrieb für die Restaurierung dieser Fahrzeuge. Und die Vermietung von Garagen ist zweifelsohne eine Aufgabe, die jeder Frührentner gut bewältigen kann.
28. April 2017 / Text: pan / Fotos: Mayo Clinic, Xing