Weißer Rauch! Nach einem mehrmonatigen Wahl-Marathon und unter weitgehender Geheimhaltung haben sich die rund 560 stimmberechtigten Partner von McKinsey & Company am vergangenen Wochenende endlich zu einer Entscheidung durchgerungen. Demnach soll der Brite Kevin Sneader den Kanadier Dominic Barton am 1. Juli an der Spitze der US-Beratungsfirma ablösen.
Sneader, 51, wird der zwölfte Chef von McKinsey seit der Gründung des Unternehmens im Jahr 1926. Derzeit leitet der Consultant (Foto) vom McKinsey-Büro Hongkong aus das gesamte Asien-Geschäft der Firma.
Der verheiratete Vater zweier Töchter – ein gebürtiger Schotte mit Harvard-Abschluss – startete seine Karriere 1989 im Londoner Büro von McKinsey. Es folgten Arbeitseinsätze an verschiedenen Standorten der Firma in den USA und erneut in London, von wo aus er für die Geschäfte im Vereinigten Königreich und Irland verantwortlich zeichnete.
Maximal drei Amtszeiten
Der designierte „Global Managing Director“ (so der offizielle Titel) muss sich am Ende seiner ersten Amtszeit im Jahr 2021 zur Wiederwahl stellen. Maximal drei Amtszeiten à drei Jahren sind möglich – so wie bei Barton (unteres Foto). Der 56-jährige gebürtige Kanadier hatte den Posten an der Spitze von McKinsey im Juli 2009 übernommen und wurde danach zweimal wiedergewählt.
Bereits diese Tatsache zeigt, dass die Messlatte für Bartons Nachfolger ziemlich hoch liegt. Hinzu kommt eine ganze Reihe von Erfolgen, die für Sneader nicht so schnell zu toppen sind.
Über zehn Milliarden US-Dollar
Da ist zunächst das enorme Wachstum, das die Firma unter Bartons Führung erzielt hat. Seit einigen Jahren veröffentlicht McKinsey zwar keine Geschäftszahlen mehr. Dennoch gilt es als offenes Geheimnis, dass der Umsatz nach dem verhagelten Ergebnis des Jahres 2009 geradezu explodiert ist.
2009 kassierte die Firma mit ihren seinerzeit rund 17.000 Beschäftigten etwa 6,6 Milliarden US-Dollar an Honorar von ihren Kunden. Der aktuelle Umsatz dürfte nach Schätzungen von ConsultingStar deutlich über der Schwelle von 10 Milliarden Dollar liegen. Kein Wunder: Heute beschäftigt McKinsey rund 29.000 Menschen, darunter allein 16.000 Berater.
Keine Scheu vor Interessenkonflikten
Das Wachstum hat mehrere Ursachen. So hat Barton vor allem dafür gesorgt, dass sich die Firma grundlegend wandelte – von einer konservativen Managementberatung zu einem breit aufgestellten Consultingkonzern mit angeschlossenem Hedge Fonds, genannt McKinsey Investment Office, kurz MIO.
Und: Was früher bei diesen Consultants wegen möglicher Interessenkonflikte verpönt war, ist heute gewollt. McKinsey beteiligt sich inzwischen an Tochtergesellschaften seiner Kunden oder gründet mit diesen Joint Ventures. Beispiele: Die E-Commerce-Tochter des chinesischen Versicherungskonzerns Ping An oder der Beratungsspezialist Lumics – ein Joint Venture von McKinsey und der Lufthansa Technik AG.
Früher ließen McKinseys Consultants die Finger von Unternehmen, die sich in einer Schieflage befanden. Man wollte kein Risiko eingehen. Das dornige Feld der Sanierungsberatung beackerten eher zweitrangige Konkurrenten wie Roland Berger oder ausgesprochene Spezialisten wie Alix Partners oder Alvarez & Marsal. Barton aber hatte offensichtlich weniger Bedenken als seine Vorgänger. Unter seiner Führung richtete McKinsey eine Abteilung zur Sanierung von Pleitekandidaten ein.
McKinseys zweiter Firmenchef Marvin Bower – der Mann , der die Firma zur Marke gemacht und die Werte dieses Unternehmens geprägt hatte – würde sich wohl im Grabe umdrehen.
Sneader dagegen lobt den forschen Kurs des scheidenden McKinsey-Chefs: Barton habe die Berater zwar dazu gebracht, zu Disruptoren ihrer eigenen Tätigkeit zu werden und Innovationen voranzutreiben. Dennoch sei die Firma immer noch „klassisch McKinsey“, so Sneaders Behauptung.
Kriminelle Machenschaften
Auch ein Erfolg: Barton ist es gelungen, die hässlichen Scharten im Image der Firma fast völlig auszuwetzen. Heute sind die eklatanten Fehler bei der Beratung von General Motors und anderen bekannten Unternehmen genauso vergessen wie die kriminellen Machenschaften ehemaliger Top-Leute von McKinsey beim Skandal um den Zusammenbruch des US-Energieriesen Enron.
Vergessen sind auch die schmutzigen Insidergeschäfte von Rajat Kumar Gupta. Der gebürtige Inder hatte McKinsey als Global Managing Director von 1994 bis 2003 geleitet und war dann zur Investmentbank Goldman Sachs gewechselt, wo er dem Hedge-Fonds-Boss Raj Rajaratnam wertvolle Tipps gab. Er wanderte dafür ins Gefängnis, und nicht wenige Beobachter fragten sich damals, ob Gupta bereits an der Spitze von McKinsey krumme Geschäfte gemacht hatte.
Heute fragt niemand mehr danach.
Nur ein seit Monaten schwelender Skandal um die Beratung des südafrikanischen Stromversorgers Eskom kratzt ein wenig an McKinseys sorgsam polierter Reputation. Doch Afrika ist weit weg. Wen interessiert das schon in Amerika, Europa oder Asien?
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27. Februar 2018 / Text: pan / Fotos: McKinsey & Company