Die gute Nachricht zuerst: Der Boom bei den deutschen Personalberatern hält an. Die diskreten Dienstleister, die für ihre Auftraggeber in der Privatwirtschaft und im öffentlichem Sektor zumeist nach hoch qualifizierten Fach- und Führungskräften fahnden, haben 2017 knapp 2,2 Milliarden Euro Umsatz erzielt. Das ist ein Plus von rund zehn Prozent im Vergleich zum vorangegangenen Jahr.
2016 hatten die Consultants die Zielmarke von zwei Milliarden Euro noch knapp verfehlt. Insgesamt haben die Kopfjäger 2017 rund 68.000 Führungs- und Expertenpositionen besetzt – etwa neun Prozent mehr als im Vorjahr.
Besonders gefragt waren – wen wundert’s – Manager und Spezialisten mit profunder Erfahrung bei
Digitalisierungsprojekten. Etwa jeder zehnte Auftrag hatte einen entsprechenden Hintergrund, heißt es in der Studie „Personalberatung in Deutschland“, die der Bonner Beraterverband BDU gestern am Rande eines Kongresses auf dem Petersberg bei Königswinter veröffentlicht hat.
Aufsichts- und Beiräte
Die Studie zeigt auch, dass die Unternehmen häufiger denn je zuvor auf die Dienste der Recruiting-Profis setzen, wenn sie Posten in ihren Aufsichts- oder Beiräten besetzen wollen. Hier verzeichneten die Personalberater ein Plus von über 15 Prozent. Und auch das Geschäft mit der sogenannten Personal- oder Managementdiagnostik blüht: Die entsprechenden Umsätze kletterten 2017 um rund 14 Prozent nach oben.
Noch eine gute Nachricht: Die meisten Personalberater sind zuversichtlich, dass die hohe Nachfrage nach Spitzenpersonal auch im laufenden Jahr anhält. Das Umsatzwachstum werde 2018 im Schnitt bei neun Prozent liegen, heißt es in der BDU-Studie.
Die Weltwirtschaft wachse immer weiter, sagt Thomas Haussmann, Senior Client Partner bei der deutschen Tochtergesellschaft von Korn Ferry, der globalen Nummer 1 im Search Business (Foto oben). „Das schwerwiegendste Hemmnis sind fehlende Fach- und Arbeitskräfte“, so der Experte. Den Trend spiegeln auch die aktuellen Umsatzzahlen der in Los Angeles ansässigen Firma wider. Im Geschäftsjahr 2017/2018 haben die US-Headhunter sage und schreibe 1,76 Milliarden US-Dollar kassiert, umgerechnet etwa 1,5 Milliarden Euro. Das sind fast 13 Prozent mehr Umsatz als im vorangegangenen Geschäftsjahr.
Bestes Ergebnis der Firmengeschichte
Es sind keineswegs nur Topmanager und hoch qualifizierte IT-Spezialisten für die Industrie, denen die Berater hinterherjagen. Personalnot herrscht zum Beispiel auch im Gesundheitssektor. Headhunter, die hier einen Schwerpunkt ihrer Tätigkeit haben, schnitten besonders gut ab. Dazu gehören auch die Consultants der Münchner Firma Rochus Mummert, die im vergangenen Jahr das beste Ergebnis ihrer Geschichte erzielt haben – siehe ConsultingStar, Interview vom 14. März 2018.
Nun zu den schlechten Nachrichten: Die BDU-Studie basiert auf einer Umfrage, die in den Monaten Februar bis April 2018 stattfand. Die Befragten ahnten damals nichts vom Zerwürfnis zwischen den Vereinigten Staaten und den anderen Teilnehmern auf dem G7-Gipfel in Kanada.
Mit Blick auf diese aktuelle Entwicklung befürchten die Chefs vieler Unternehmen, dass die USA nach den bereits verhängten Maßnahmen, etwa Zöllen auf Stahl aus deutscher Produktion, demnächst auch Abgaben auf importierte Autos und andere Güter erheben werden. Es droht ein Handelskrieg, dessen Folgen noch gar nicht richtig abzusehen sind.
Etwas zu optimistisch
Schon mehren sich die Anzeichen, dass sich die Konjunktur abkühlt. Und die Ersten, die die Konsequenzen spüren werden, sind erfahrungsgemäß die Personalberater. Vor diesem Hintergrund erscheint die BDU-Prognose als etwas zu optimistisch.
Eine weitere schlechte Nachricht: Das Geschäft der Berater wird härter. Genauer: „Die Aufträge werden immer anspruchsvoller“, klagt BDU-Vizepräsidentin Regina Ruppert, die im Hauptberuf Chefin der Berliner Beratungsfirma Selaestus ist (Foto). Und das ist auch kein Wunder, denn Headhunter werden meist nur dann gerufen, wenn die Unternehmen keine Chance sehen, eine offene Stelle selbst zu besetzen. Das wiederum hat vor allem mit den gepfefferten Preisen der Kopfjäger zu tun.
Insbesondere große Personalberatungsfirmen verlangen als Honorar ein knappes Drittel vom Zieleinkommen der gesuchten Fach- oder Führungskraft. Hinzu kommen happige Spesen, etwa für Reisen. Laut Studie liegt das Honorar für einen Kopfjäger-Auftrag in jedem fünften Fall sogar über der Schwelle von einem Drittel des jeweiligen Zieleinkommens.
Steigender Konkurrenzdruck
Noch eine schlechte Nachricht: Immer mehr Anbieter tummeln sich in dieser äußerst engen Nische des Dienstleistungssektors. Der BDU schätzt die Zahl der Personalberatungsfirmen in Deutschland auf etwa 2000 und die Zahl der für diese Firmen tätigen Consultants auf rund 7500. Vor zehn Jahren waren es noch 5250 Berater. Das ist ein Zuwachs von 2250 oder über 40 Prozent.
Damit nicht genug: Der Wettbewerb wird angeheizt durch die sogenannten Recruiter.
Es geht dabei um die deutschen Tochtergesellschaften von meist englischen oder amerikanischen Firmen wie Michael Page, Robert Half oder SThree, die ihre Kunden kaum beraten, sondern vor allem wechselwillige Kandidaten zu Preisen vermitteln, die weit unter denen der Consultants liegen.
Unternehmensinterne Recruiting-Spezialisten
Und: Immer mehr Unternehmen bauen interne Recruiting-Abteilungen auf. Das sogenannte Active Sourcing, bei denen die fest angestellten, hauseigenen Suchspezialisten meist Karrierenetzwerke wie Xing oder LinkedIn nach passenden Profilen durchkämmen, erfreut sich immer größerer Beliebtheit. Zahlen dazu sucht man in der Studie freilich vergeblich.
Auch die Headhunter fischen im Daten-Pool dieser Netzwerke, insbesondere diejenigen, die sich im unteren und mittleren Segment ihrer Branche bewegen. Viele Consultants setzen dabei moderne Such-Software ein, die es ihnen ermöglicht, die Profile von Xing oder LinkedIn direkt in ihren eigenen Datenpool zu transferieren. „Die Digitalisierung hat unser Geschäft massiv verändert“, sagt Wolfgang Tröger, Vorsitzender des Fachverbands Personalberatung im BDU und Chef der Personalberatungsfirma Tröger & Cie in Frankfurt am Main (unteres Foto).
Die größte Angst der Consultants besteht deswegen darin, dass Xing oder LinkedIn irgendwann das Geschäft mit den wertvollen Profilen der bei ihnen registrierten Manager und Fachkräfte in die eigene Hand nehmen und den Headhuntern den Zugang versperren. Und das sei nur noch eine Frage der Zeit, warnt Tröger.
14. Juni 2018 / Text: pan / Firmenfotos: Korn Ferry, Selaestus, Tröger & Cie