Blasses Gesicht, schulterlanges Haar, Brille und Business Outfit – als Staatssekretärin im Bundesministerium der Verteidigung wirkte Katrin Suder immer irgendwie exotisch. Ursula von der Leyen (CDU) hatte die ehemalige Chefin des Berliner McKinsey-Büros 2014 in ihr Ministerium gelockt. Jetzt soll Suder die Bundesregierung bei der Digitalisierung Deutschlands beraten.
Die Digitalisierung biete enorme Chancen, sagt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Und an diesen Chancen sollen die Menschen in Deutschland teilhaben können, so die Kanzlerin. Als Beispiel nennt die Regierungschefin unter anderem ein Bürgerportal: Dieser „digitale Zugang zum Staat“ (Merkel) soll viele Behördengänge überflüssig machen.
Daneben geht es vor allem um Infrastruktur, digitale Bildung und Künstliche Intelligenz (KI).
Bei den anstehenden Projekten lässt sich die Bundesregierung von einem neuen Gremium namens Digitalrat beraten. Der Rat habe die Aufgabe, die Bundesregierung anzutreiben und dem Stillstand bei der Digitalisierung entgegen zu wirken, sagt die Kanzlerin.
An der Spitze des Digitalrats steht Suder – obwohl die 46-jährige promovierte Physikerin als Staatssekretärin eigentlich Licht ins Ausrüstungsdickicht der Bundeswehr bringen sollte, den Posten aber nach nicht einmal vier Jahren wieder räumte, um mehr Zeit für ihr Privatleben zu haben.
Zehnköpfiges Gremium
Neben Suder (im Foto links neben der Bundeskanzlerin) gehören dem Gremium neun weitere Personen an:
Christian Boos: Der 1972 geborene Unternehmensgründer (Arago) gilt als Experte für Algorithmen und Künstliche Intelligenz. Mithilfe der von Boos entwickelten KI-Technologie HIRO lassen sich die verschiedensten Prozesse innerhalb eines Unternehmens steuern.
Stephanie Kaiser: Die 36-jährige Rostocker Romanistik-Absolventin ist Gründerin und Chefin von Heartbeat Labs. Das Unternehmen verspricht seinen einen besseren Zugang zur gesundheitlichen Versorgung. Zuvor war Kaiser an der Gründung zweier Unternehmen beteiligt, die mobile Apps auf den Gesundheitsmarkt brachten.
Ijad Madisch: Der 1980 in Wolfsburg geborene Mediziner und Informatiker (im Bild rechts außen mit Baseball-Käppi, lachsfarbenem T-Shirt und Jeans-Shorts) hat das Onlinenetzwerk ResearchGate aufgebaut. Mehr als 13 Millionen Mitglieder weltweit – zumeist Wissenschaftler – teilen auf dieser Plattform ihre Forschungsergebnisse und kommunizieren miteinander.
Ada Pellert: Die 56-jährige Österreicherin, die seit 2016 an der Spitze der Fern-Universität Hagen steht, gilt als Vorkämpferin für die Digitalisierung der Hochschulen.
Andreas Weigend: Der 57-jährige Physiker lehrt an den amerikanischen Elite-Universitäten Stanford und Berkeley. Als Forscher interessierte ihn vor allem, wie sich sogenannte Social Data auf Einkaufsentscheidungen von Menschen auswirken. Für den US-Internetriesen Amazon hat Weigend unter anderem eine Datenstrategie entworfen.
Spitzenjuristen und Rechtsinformatiker
Hinzu kommen vier Spitzenjuristen und Rechtsinformatiker: der Big-Data-Experte Viktor Mayer-Schönberger, der Schweizer Datenschützer und Facebook-Kritiker Urs Gasser, der österreichische Open-Government-Spezialist und Fraunhofer-Institutsleiter Peter Parycek und die New Yorker Hochschullehrerin Beth Simone Noveck, die sich einen Namen als Beraterin des ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama gemacht hat.
Trotz der beeindruckenden Lebensläufe der Experten und obwohl der Digitalrat noch nicht einmal seine Tätigkeit aufgenommen hat, entzündet sich bereits erste Kritik an der personellen Zusammensetzung des Gremiums.
Dabei geht es aber nicht um einzelne Personen: „Im neuen Digitalrat fehlen die Arbeitnehmer“, heißt es in einer aktuellen Mitteilung des Essener Managerverbands DFK – die Führungskräfte.
„Wenn Katrin Suder zu recht sagt, dass die Auswirkungen der Digitalisierung auf Wirtschaft, Arbeitswelt und Gesellschaft schon jetzt erheblich seien, sollte das aber auch in der Besetzung des Digitalrats abgebildet werden“, sagt DFK-Vorstand Ulrich Goldschmidt. „Digitalisierung und Industrie 4.0 werden ohne Arbeit 4.0 nicht funktionieren“, so Goldschmidt weiter. Sein Verband fordere deswegen Nachbesserungen bei der Besetzung des Digitalrats.
23. August 2018 / Text: pan / Foto: Kugler/Bundesregierung