Auf Einkaufstour in Kopenhagen: Die US-Beratungsfirma Bain & Company forciert ihr Wachstumstempo und schnappt sich das dänische Beratungshaus Qvartz. Die Chefs beider Unternehmen feilen zwar noch an den Details der Transaktion. Doch die aktuellen Medienmitteilungen von Bain und Qvartz klingen ganz so, als wäre der Deal bereits in trockenen Tüchern.
Die Konkurrenten – allen voran die Berater bei McKinsey und Boston Consulting – werden diesen Satz aus dem Mund von Dan Kuzmic sicher besonders aufmerksam lesen: „Wir streben an, die Top-Unternehmensberatung in den nordischen Ländern zu werden, und wir stehen jetzt vor der Schwelle, dies zu erreichen.“ Kuzmic (Bild) ist Partner bei Bain & Company in Stockholm, verantwortlich für das Geschäft der Firma in den nordischen Staaten und einer der Drahtzieher des Deals.
Und Hans Henrik Beck, Managing Partner von Qvartz, betont: „Der Ansatz von Bain in Bezug auf strategische Beratungsleistungen spiegelt genau unseren eigenen wider.“ Ein Lächeln kann man sich da nicht verkneifen: Schließlich stand Beck, der Qvartz 2002 gemeinsam mit Gleichgesinnten gegründet hatte, früher bei McKinsey auf der Lohnliste.
Aktivitäten in Deutschland
Qvartz beschäftigt heute laut eigenen Angaben 450 Mitarbeiter und unterhält Büros in mehreren Ländern Europas, in den USA, Asien und Australien – auch in Deutschland. Hier hatten die Dänen 2017 die Hamburger Firma Bülow & Consorten übernommen.
Von Hamburg aus arbeiten rund zwei Dutzend Berater für Qvartz. Kunden sind hier unter anderem Versicherungsunternehmen wie Ergo, Energieversorger wie Vattenfall, diverse Stadtwerke sowie Spezialisten für industrielle Dienstleistungen, etwa der TÜV Rheinland. Den Deutschland-Umsatz der Qvartz GmbH schätzt ConsultingStar auf unter zehn Millionen Euro. Eine weitere Hamburger Qvartz-Tochter, die Vertical Strategy GmbH, wurde erst im letzten Jahr gegründet und dürfte mit Blick auf Umsatz und Mitarbeiter kaum ins Gewicht fallen.
Was nach der Übernahme aus dem deutschen Team wird, ist offen. Eine entsprechende Anfrage von ConsultingStar bei Qvartz in Hamburg blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet.
Bain unterhält 57 Büros in 36 Ländern und beschäftigt weltweit über 10000 Mitarbeiter, 900 davon im deutschsprachigen Raum. Den Umsatz gibt die in der US-Ostküstenmetropole Boston ansässige Firma nicht offiziell bekannt – so wie McKinsey. Laut Wikipedia kassierten Bains Berater zuletzt von ihren Kunden weltweit 4,5 Milliarden US-Dollar Honorar.
Immer noch ein Ausnahme-Ereignis
Wenn der IT-Beratungsriese Accenture ein Unternehmen kauft, so ist das fast schon Routine. So etwas passiert schließlich fast jeden Monat – und das bereits seit einigen Jahren. In der Nische der Strategieberater sind Firmenübernahmen und Firmenhochzeiten jedoch immer noch eine Ausnahme. Diese Consultants betonen meist, dass man in erster Linie organisch wachsen wolle. Das heißt: Strategieberater stellen bevorzugt Hochschulabsolventen ein, die vom Start weg auf die spezifische Firmenkultur und die eigenen Qualitätsmaßstäbe eingeschworen werden.
Bisweilen heuern auch Seiteneinsteiger aus dem Management von Privatunternehmen („Experienced Hires“) bei Strategieberatungsfirmen an. Doch dem Führungsteam um Bains CEO Manny Maceda reichen diese Personalmaßnahmen nicht mehr. Maceda und seine Consultants sind offensichtlich davon überzeugt, dass sie ihre Aktivitäten erheblich verstärken müssen, wenn Bain nicht bald unter ferner liefen rangieren will.
Deswegen schließen die Bainies Partnerschaften, etwa im vergangenen Mai beim Start des sogenannten Bain Media Lab, wo man sich mit Hive zusammentat – einem US-Spezialisten für den Einsatz von künstlicher Intelligenz. Und man wagt sich jetzt auch an Übernahmen. So hat Bain sich im vergangenen Mai die US-Digitalagentur FRWD einverleibt.
Stets zweistellig beim Umsatz zugelegt
Für diese außergewöhnlichen Aktionen gibt es vor allem zwei Gründe:
Branchenprimus McKinsey und Branchenzweiter Boston Consulting legen ein rasantes Wachstumstempo vor. Beide Firmen haben in den vergangenen Jahren stets zweistellig zugelegt. Der weltweite Umsatz von McKinsey soll nach Expertenschätzungen bereits über die Schwelle von zehn Milliarden US-Dollar gesprungen sein. Und Boston Consulting erzielte laut eigenen Angaben zuletzt einen Umsatz von 7,5 Milliarden Dollar.
Und außerdem: Die Beratertruppen der vier großen Prüfungsfirmen, Deloitte, Pricewaterhousecoopers, EY und KPMG, bleiben Bain & Company dicht auf den Fersen oder haben die Bainies bereits auf bestimmten Feldern des Geschäfts überrundet. Heute erst veröffentlichte KPMG sein Ergebnis für das Geschäftsjahr 2019 (Stichtag 30. September). Demnach sind die weltweiten Umsätze im Bereich „Advisory“ (Strategy, Deal Related Services und Digital Transformation Solutions) um knapp acht Prozent auf 11,9 Milliarden Dollar gestiegen. Der Gesamtumsatz belief sich auf 29,7 Milliarden Dollar.
Angesichts dieser Zahlen würde es nicht wundern, wenn die Bainies weiter nach interessanten Kauf-Kandidaten Ausschau halten.
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12. Dezember 2019 / Text: pan / Foto Kuzmic: Bain & Company / Logos: Bain & Company / Qvartz