Flotte Entscheidung! Erst vor kurzem hatte Kevin Sneader, Chef von McKinsey, alle Partner der Beratungsfirma in Deutschland und Österreich angeschrieben: Wer soll an Stelle von Cornelius Baur die Leitung des sogenannten German Office übernehmen? Entschieden hat Sneader jedoch selbst, denn er hat – nicht nur bei Personalien – das letzte Wort in der Firma. Gestern dann ließ er die Öffentlichkeit über seine Wahl informieren.
Der Düsseldorfer Fabian Billing führt ab dem 1. März 2021 als Managing Partner das Geschäft von McKinsey in Deutschland und Österreich. Der 58-jährige Münchner Baur werde den Chefsessel nach mehr als sieben Jahren an der Spitze räumen, heißt es in einer Mitteilung der Firma. Baur werde weiter Mitglied im globalen Führungsgremium der Firma bleiben und seine Klienten beraten. McKinsey praktiziere ein Rotationsmodell für Führungsjobs, das auch für Managing Partner gelte, heißt es weiter in der Mitteilung.
Billing (Foto) ist Senior Partner im Düsseldorfer Büro von McKinsey und dort seit 21 Jahren tätig. Der 46-Jährige leitet die Organization Practice von McKinsey in Europa. In dieser Funktion unterstützt er Unternehmen bei der Gestaltung und Implementierung von umfassenden Transformationsprogrammen sowie bei Unternehmensfusionen. Zu seinen Klienten zählen vor allem Unternehmen aus der Telekommunikations- und Technologiebranche.
„Echtes McKinsey-Gewächs“
Billing sei „ein echtes McKinsey-Gewächs“ schreibt die Düsseldorfer Wirtschaftszeitung Handelsblatt. Schließlich habe er in seinem Berufsleben niemals für jemand anderen gearbeitet als für diese Firma. 2008 wurde er zum Partner, sechs Jahre später zum Seniorpartner befördert. Auch Führungserfahrung kann Billing vorweisen. Schließlich leitete er zwischen 2014 und 2018 die Geschäfte des umsatzstarken Düsseldorfer Büros.
Vor seinem Start ins Consulting Business im Jahre 1999 studierte Billing Betriebswirtschaft an der Universität des Saarlandes und an der University of Michigan in den USA. 2002 promovierte er an der Technischen Universität Berlin zum Thema Innovationsmanagement.
Der künftige Deutschlandchef hat einen – in den Ohren aller Englisch sprechenden Consultants – geradezu verlockend süß klingenden Familiennamen. Schließlich bedeutet „billing“ soviel wie „etwas in Rechnung stellen“. Und in dieser Disziplin ist McKinsey wirklich einsame Spitze.
McKinsey ist aber nicht nur bekannt für seine gepfefferten Rechnungen. Die Firma ermuntert ihre Berater immer wieder auch, sich „pro bono“ zu engagieren – sich kostenfrei und gratis in den Dienst einer guten Sache zu stellen. Beispiel Billing: Als Bassist der McKinsey-Band „The Sky Officers“ habe Billing letztes Jahr bei der Veranstaltung „Rock gegen Hunger“ der Welthungerhilfe musiziert, berichtet das Handelsblatt. Der verheiratete Vater dreier Jungs zupft aber nicht nur die Saiten der Gitarre. Er spielt auch Klavier.
Gut ist nicht gut genug
Als Chef des German Office wird Billing jedoch nicht mehr viel Zeit für solche Dinge haben. Denn der scheidende Deutschlandchef Baur übergibt Billing zwar mit Sicherheit ein gut geführtes Unternehmen. Aber gut ist bei McKinsey noch lange nicht gut genug.
Genauer: McKinsey ist mit geschätzt etwas über einer Milliarde Euro Umsatz die Nummer eins unter den klassischen Management Consultants in Deutschland. Doch die Konkurrenz schläft nicht. Die Nummern 2 und 3 der Branche, Boston Consulting und Bain & Company, wachsen derzeit allem Anschein nach schneller als der Primus. Genaues weiß man jedoch nicht. Die drei Firmen kommunizieren seit Jahren keine Umsatzzahlen mehr. Nur soviel: Der Anteil des deutschen Büros am Weltumsatz von McKinsey liege über zehn Prozent, so eine Firmensprecherin auf Anfrage von ConsultingStar.
Immerhin: Trotz Corona-Krise hat McKinsey in diesem Jahr rund 800 neue Mitarbeiter in Deutschland und Österreich eingestellt. In Baurs Amtszeit hat das German Office zudem sein Angebot auf den Feldern Digital, Analytics und Private Equity ausgebaut sowie zahlreiche Mittelständler als Klienten gewonnen.
McKinsey ist weiblicher geworden
Bemerkenswert: Unter Baur hat McKinsey auch deutlich mehr Frauen für die Arbeit als Beraterinnen gewinnen können. Deren Anteil bei den Neueinsteigern hat sich in den letzten sieben Jahren auf rund 40 Prozent fast verdoppelt. Knapp ein Drittel aller Consultants im German Office sind heute Frauen. 2014, als Baur den Spitzenjob bei McKinsey übernahm, lag ihr Anteil bei lediglich 21 Prozent. Auch die Zahl der Partnerinnen hat sich in den letzten sieben Jahren mehr als vervierfacht. Erst am vergangenen Dienstag wurden 36 neue Partner gewählt. Davon sind 13 Frauen, so dass im German Office demnächst rund 40 Partnerinnen arbeiten.
Vor allem aber: Baur hat das Glanzstück fertig gebracht, McKinsey aus den Schlagzeilen der Wirtschaftspresse herauszuhalten – trotz der skandalösen Mauscheleien im Verteidigungsministerium, wo die ehemalige McKinsey-Beraterin Katrin Suder als Staatssekretärin eine zentrale Rolle spielte. „Cornelius ist eine wirklich bemerkenswerte Führungspersönlichkeit“, lobt Sneader den scheidenden Chef des German Office.
Billing wird mit Sicherheit auch einmal an dieser Leistung gemessen.
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26. November 2020 / Text: pan / Firmenfoto: McKinsey & Company