Neuer Chef: Der US-Amerikaner Bob Sternfels löst den Schotten Kevin Sneader am 1. Juli an der Spitze von McKinsey & Company ab. Der 51-jährige Consultant habe sich in einer Stichwahl gegen den Niederländer Sven Smit durchgesetzt, heißt es in einer aktuellen Mitteilung der 1926 gegründeten Beratungsfirma mit Hauptsitz in der US-Metropole New York. Ob Sneader seinen Hut nehmen und McKinsey verlassen muss, ist offen.
Sternfels ist derzeit als Chief Operating Officer für sämtliche Kundenaktivitäten der Firma verantwortlich, insbesondere für den Ausbau der Dienstleistungen auf den Gebieten Digitales und Advanced Analytics. Zuvor leitete der Berater die Operations Practice in Nord- und Südamerika und die Private Equity & Principal Investors Practice weltweit.
Ausschlaggebend für Sternfels‘ Wahl dürfte gewesen sein, dass er intern so gut vernetzt ist wie kaum ein anderer.
In der Firmenmitteilung heißt es nicht von ungefähr, dass der designierte Chef mit „Kollegen in fast jedem McKinsey-Büro der Welt“ zusammengearbeitet habe. Von daher dürfte es Sternfels am ehesten gelingen, das Heer von über 30.000 Consultants und hoch qualifizierten Mitarbeitern zu führen.
Begeisterter Hobbypilot
Der verheiratete Vater von drei Kindern und begeisterte Hobbypilot arbeitet seit 1994 für das Beratungshaus, wobei er zunächst in Australien und Südafrika eingesetzt war. Heute steht sein Schreibtisch im McKinsey-Büro in San Francisco – nicht allzu weit entfernt von seinem Geburtsort Lodi, einer Kleinstadt im Norden des US-Bundesstaats Kalifornien.
Sternfels (Foto) hat Wirtschaft, Politik und Philosophie an der amerikanischen Business School Stanford sowie an der traditionsreichen englischen Universität Oxford studiert. Dort hatte er eines der prestigeträchtigen Stipendien der Rhodes-Stiftung ergattert.
Die Wahl sei turnusgemäß erfolgt, heißt es bei McKinsey: Alle drei Jahre stimmen die dazu berechtigten Partner über den „Global Managing Partner“ (so die offizielle Bezeichnung für den Firmenchef) ab. Doch dieser Wechsel vollzieht sich in einer äußerst turbulenten Zeit, die einerseits von einem rasanten Wachstum der Firma, andererseits von heftiger interner und externer Kritik gekennzeichnet ist.
In zahlreiche Skandale verwickelt
Offensichtlich trauten die Berater Sneader nicht zu, die Firma weiter auf Erfolgskurs zu halten. Jedenfalls ließen sie den Schotten bei der Wahl durchfallen. Bemerkenswert: Es ist das erste Mal seit Mitte der 1970er Jahre, dass einem amtierenden McKinsey-Chef eine zweite Amtszeit verwehrt wird.
Kein Wunder also, dass über die Gründe für Sneaders Abwahl heftig spekuliert wird. Das Londoner Wirtschaftsmagazin The Economist schreibt, es sei zwar nicht klar, wofür der 54-jährige Schotte den Preis zahle. Der Sturz von Sneader sei jedoch typisch für eine Firma, die in zahlreiche Skandale verwickelt sei. Das Magazin spielt damit auf McKinseys zwielichtige Rolle bei Geschäften in Südafrika an, auf pikante Interessenkonflikte bei diversen Sanierungsmandaten und vor allem auf den sogenannten Opioid-Skandal in den USA.
Bei der letztgenannten Affäre hatte McKinsey verschiedenen Pharmaherstellern, unter anderem Purdue, zu einer aggressiven Vermarktung bestimmter Schmerzmittel („Opioide“) geraten. In der Folge verharmlosten die Unternehmen das Suchtpotenzial dieser Medikamente und trieben auf diese Weise Millionen Patienten in die Abhängigkeit. Rund 450.000 Menschen seien an einer Überdosis der Schmerzmittel gestorben, berichten US-Medien.
Vergleich in Höhe von über einer halben Milliarde Dollar
McKinsey hat zwar – wie in solchen Fällen üblich – jegliches Fehlverhalten bestritten, aber kürzlich einen außergerichtlichen Vergleich geschlossen. Darin verpflichtet sich die Firma zur Zahlung von rund 575 Millionen US-Dollar (umgerechnet etwa 483 Millionen Euro) an die Kläger.
Mit Blick auf das lädierte Ansehen von McKinsey hatte Sneader mehrere Reformen vorangetrieben. Dabei geht es vor allem um einen strengeren Maßstab bei der Annahme von Aufträgen. Außerdem hatte er den Consultants untersagt, mit Geheimdiensten und bestimmten anderen Regierungsstellen in nichtdemokratischen Ländern zusammenzuarbeiten. Vermutlich war er damit zu weit gegangen.
Vielleicht hätten einige Partner Sneaders Maßnahmen als Eingriff in ihre Autonomie empfunden, während sich jüngere Partner mehr Reformen gewünscht hätten, mutmaßt der Economist. Wie dem auch sei: Die Wurzeln der Skandale stammen aus der Zeit vor dem Amtsantritt von Sneader. Der Schotte sei deswegen höchstens ein Sündenbock, so das Magazin.
Auch der designierte McKinsey-Chef lässt durchblicken, dass sein Vorgänger den richtigen Weg eingeschlagen hatte. Er werde an die „wichtigen Veränderungen“ anknüpfen, die Kevin Sneader „mit auf den Weg gebracht“ habe, beteuert Sternfels. Man wird sehen, ob er damit mehr Erfolg hat, als der scheidende McKinsey-Chef.
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11. März 2021 / Text: pan / Firmenfoto: McKinsey