Krönung einer langen Consulting-Karriere: Die Partner von A.T. Kearney haben Alex Liu zum Managing Partner und Chairman ihrer Firma gewählt. Der US-Amerikaner, Sohn von Einwanderern aus Taiwan, hatte sich in drei Abstimmungsrunden gegenüber acht Mitbewerbern durchgesetzt. Liu werde Ende April auf den Chefsessel rücken, heißt es in einer aktuellen Mitteilung der Firma.
Liu, der im April 60 wird, folgt auf Johan Aurik. Der 58-jährige Niederländer, der seit 2012 an der Spitze von A.T. Kearney stand, durfte nicht mehr kandidieren, da er bereits zwei Amtszeiten absolviert hatte. Aurik hatte dafür gesorgt, dass seine Consultants nach einer geplatzten Hochzeit von A.T. Kearney mit dem Konkurrenten Booz & Company* im Jahre 2010 sowie einigen Jahren mit rückläufigen Umsätzen und zahllosen Abgängen von Top-Beratern wieder Tritt fassen konnten.
Umsatz niedriger als vor 17 Jahren
A.T. Kearney wurde 1926 gegründet. Die Firma hat ihren Hauptsitz in der US-Industriemetropole Chicago und Büros in rund 40 Ländern der Erde. Letztes Jahr erwirtschaftete das Unternehmen mit rund 3600 Beschäftigten nach Schätzung von ConsultingStar etwa 1,2 Milliarden US-Dollar Honorarumsatz – 100 Millionen Dollar weniger als im Jahr 2000, wo A.T. Kearney nach McKinsey und Boston Consulting die Nummer 3 unter den Strategieberatern war. Zum Vergleich: Branchenprimus McKinsey beschäftigt heute über 29000 Mitarbeiter und kassierte 2017 mehr als zehn Milliarden US-Dollar.
Die Entscheidung zugunsten von Liu (Firmenfoto: A.T. Kearney) gilt vor allem als Anerkennung für „Great Client Work“ – für die exzellente Arbeit jener Beraterteams, die der designierte Chef von A.T. Kearney in den vergangenen Jahren führte. Lius Wahl wird aber auch als ein Zeichen dafür gewertet, dass sich die Firma umorientiert, ihren Schwerpunkt weg von Europa verlagert und sich stärker auf das Geschäft in Nordamerika und Asien konzentrieren will.
Wertvolle Erfahrungen
Der künftige Kearney-Kapitän ist ein Spezialist für die Beratung von Unternehmen in den Branchen Kommunikation, Medien und Technologie. Die Kontakte, die er hier geknüpft, und die Erfahrungen, die er dabei gemacht hat, können sich gerade vor dem Hintergrund der Digitalisierung auch in anderen Branchen als wertvoll erweisen.
Liu hat Betriebswirtschaft an den Elite-Universitäten Harvard und Yale studiert. Vor seiner Tätigkeit bei seinem jetzigen Arbeitgeber war der „Asian American“ (Amerikaner mit asiatischen Wurzeln) als Chef eines Startup-Unternehmens in Kalifornien tätig sowie als Partner bei Boston Consulting und im Management eines Tochterunternehmens des Konsumgüter-Riesen Procter & Gamble.
Zweimal um den Globus
Der Schreibtisch von Liu steht zwar in Kalifornien – im Büro San Francisco seiner Firma. Doch dort ist der Consultant weniger häufig anzutreffen als im Flieger. Jeden Monat lege er dabei eine Strecke zurück, die zweimal rund um den Globus reiche, sagt Liu. Dieses Pensum sei zwar „verrückt“, gehöre aber nun einmal zum Job eines Top Consultants. Doch während sich andere Vielflieger zuhause oder im Hotel vom Jet Lag erholen müssen, zieht Liu nach Langstreckenflügen erst einmal seine Laufschuhe an und geht joggen.
Seine Kollegen beschreiben Liu ehrfurchtsvoll als diszipliniertes Arbeitstier, loben ihn aber zugleich als vorbildlichen Team Leader mit einem ausgesprochenen Sinn für Humor. Eine Kostprobe davon erhielten die Journalisten des US-Fachblatts Consulting Magazine, die ihn 2015 zu den „Top 25 Consultants“ des Jahres wählten. „Großartig“, sagte Liu damals – um im gleichen Atemzug unter Anspielung auf seine über 25-jährige Berater-Tätigkeit augenzwinkernd Martin Scorsese zu zitieren: „What took you so long?“ (Der Oscar-prämierte Hollywood-Regisseur soll gefragt haben, warum man ihn den Preis nicht schon früher verliehen habe.)
Weitere wichtige Personalien
Parallel zu der Meldung über den Wechsel an der Spitze von A.T. Kearney hat die Firma zwei weitere wichtige Personalien bekannt gegeben. Auch diese lassen bei Beobachtern die Hoffnung keimen, dass die Firma irgendwann wieder einmal den weiten Abstand zu McKinsey verringern kann. Demnach wird Christian Malorny, der letztes Jahr im Unfrieden bei McKinsey ausgeschieden war, neuer Chef der wichtigen Automotive Practice von A.T. Kearney. Zusätzlich verstärkt mit Thomas Luk ein weiterer ehemaliger McKinsey-Mann und Experte für die Auto-Industrie als Partner das Beratungsunternehmen. Luk soll das Geschäft von A.T. Kearney in China vorantreiben.
27. März 2018 / Text: pan / Firmenfoto: A.T. Kearney
*) heute: Strategy& - Teil der Prüfungsfirma PwC