Erfolgreicher Unternehmensberater, großzügiger Mäzen und Philanthrop: Das ist Roland Berger – so wie ihn fast jeder zu kennen glaubt. Dass dieses Bild nicht ganz mit der Realität übereinstimmt, wussten zumindest Bergers Konkurrenten sowie einige Weggefährten, die der nach außen hin stets charmante Münchner beizeiten aus seinem Unternehmen gedrängt hatte. Und jetzt bekommt auch die Story vom uneigennützigen Stifter hässliche Risse.
Hintergrund: Berger (Foto) hatte seinen Vater Georg immer wieder als Gegner und Opfer der Nazis dargestellt. Sogar im KZ Dachau habe er eingesessen, behauptete der Unternehmensberater.
Die ungeschminkte Wahrheit über Georg Berger veröffentlichte letzte Woche jedoch das Düsseldorfer Handelsblatt in einem Exklusiv-Bericht. Demnach war Bergers Vater 13 Jahre lang Mitglied der NSDAP, oberster Finanzchef der Hitlerjugend bis 1939 und später in Wien Generaldirektor der arisierten Ankerbrot-Werke. Bis 1944 wohnte die Familie Berger zudem in einer von jüdischen Eigentümern beschlagnahmten Villa.
Preisverleihung im Jüdischen Museum
Für Berger ist der Bericht schon allein deswegen peinlich, weil der Berater am heutigen Montag den von ihm gestifteten Preis für Menschenwürde verleihen wollte, und zwar im Jüdischen Museum in Berlin. Zwei der drei Preisträger – der polnische Bürgerrechtler Adam Bodnar und das Netzwerk „Schule ohne Rassismus / Schule mit Courage“ – hatten jedoch bereits mit Blick auf die aktuelle Berichterstattung erklärt, dass sie die Auszeichnung nicht entgegennehmen wollten.
Vor diesem Hintergrund sah sich Berger jetzt gezwungen, die Veranstaltung abzublasen. Die Verleihung des Preises für Menschenwürde 2019 werde auf einen späteren Zeitpunkt verschoben, heißt es in einer aktuellen Mitteilung der Roland Berger Stiftung.
Laut dieser Mitteilung will Berger mit der Absage vor allem vermeiden, dass die „Würde und das Renommee“ des Preises gefährdet werden.
Gelegenheit zur Stellungnahme
Fairerweise hatte das Handelsblatt Berger in einem Interview die Gelegenheit zu einer ausführlichen Stellungnahme gegeben. Trotzdem betreibt die Stiftung des Beraters deutliche Medienschelte:
Die „vom Handelsblatt initiierte Berichterstattung“ habe zwar nichts mit dem Preis für Menschenwürde zu tun. Der Bericht habe aber die Preisträger verunsichert. Dieser Effekt sei „durch Nachfragen von Redakteuren der Wirtschafts-Zeitung bei einzelnen Preisträgern“ verstärkt worden.
Vor diesem Hintergrund habe sich Berger entschlossen, die Verleihung auf das kommende Jahr zu verschieben, so die Stiftung weiter.
Die Preisverleihung soll laut Mitteilung erst dann erfolgen, wenn die Ergebnisse einer Untersuchung zur Rolle von Georg Berger in der Zeit des Nationalsozialismus vorlägen. Mit dieser Untersuchung habe Roland Berger die Wissenschaftler Michael Wolffsohn und Sönke Neitzel beauftragt. Der Bericht der beiden Historiker soll Ende des Jahres vorliegen und veröffentlicht werden.
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21. Oktober 2019 / Text: pan / Foto: Office des Prof. Dr. h.c. Roland Berger, München